Russland

Tucker Carlson ist nach Russland gekommen, um Putins Wort zu hören

Trotz Empörung und Kritik ist der US-Journalist Tucker Carlson nach Russland gereist. Viele vermuten, dass ein Interview mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bevorsteht. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es jedoch bisher nicht.
Tucker Carlson ist nach Russland gekommen, um Putins Wort zu hören© AP Photo/Lynne Sladky

Von Pjotr Akopow

Tucker Carlson ist nach Moskau gereist, um mit Wladimir Putin zu sprechen. Der populärste US-amerikanische politische Fernsehjournalist wird ein Interview mit dem russischen Präsidenten führen. Obwohl es noch keine offizielle Bestätigung des bevorstehenden Treffens gibt, besteht kein Zweifel, dass der politische Berichterstatter wegen Putin in unser Land gekommen ist. Diese Tatsache ist an sich schon ungewöhnlich in diesen Zeiten: Das letzte Mal, dass Putin US-amerikanischen Medien ein Interview gegeben hat, ist fast drei Jahre her, das heißt, es passierte noch in der vergangenen Weltordnung.

Carlsons Besuch geht jedoch weit über ein einfaches Interview in einer schwierigen Zeit hinaus, denn Tucker selbst ist weit mehr als nur ein Journalist. Und die Reaktionen auf seine Reise in den Vereinigten Staaten, in der Ukraine und sogar bei den russischen Liberalen bestätigen dies eindeutig.

Vor weniger als einem Jahr wurde Carlson von dem Fernsehsender Fox entlassen, wo er die beliebteste politische Sendung moderierte. Tucker war selbst für den die Republikaner unterstützenden Sender zu toxisch geworden, weil er ein konsequenter Kritiker nicht nur von Biden, sondern des "Washingtoner Sumpfes" und der etablierten Politik selbst geworden war. Er wurde fast zu einem größeren Trumpisten als Trump selbst. Seitdem produziert er sein eigenes Social-Media-Programm und zieht weiterhin die Aufmerksamkeit von Millionen von US-Amerikanern auf sich. Und zwar nicht nur als schillernder Kommentator des Zeitgeschehens, sondern auch als potenzieller Politiker, hin zu Gerüchten, dass Carlson Donald Trumps Vizepräsidentschaftskandidat sein könnte (was allerdings höchst unwahrscheinlich ist: Trump wird wahrscheinlich eine Frau oder einen Farbigen als Partner nehmen). Carlson ist also längst zu einer der Symbolfiguren des aktuellen innenpolitischen Konflikts in den USA geworden, und deshalb sorgt seine Reise nach Moskau für so viel Aufregung.

In den USA wird er bereits als Verräter bezeichnet, dem die Einreise in sein Heimatland verwehrt werden sollte. Es ist klar, dass solche Aufrufe von Randdemokraten kommen, aber das ist auch ein Indikator für die Ungesundheit der US-amerikanischen Gesellschaft. Und in Kiew versucht man, die Mischung aus Russophobie und Tuckerphobie der Demokraten auszunutzen und vergleicht Carlsons bevorstehendes Gespräch mit Putin mit einem Interview, das "Goebbels mit Jack the Ripper" geführt hätte.

Auch unsere westlichen Mitbürger murren: "Seht her, in den Vereinigten Staaten gibt es einen Journalisten, der in Opposition zu den Behörden steht und nach Russland kommen und mit Putin sprechen kann, aber wo sind solche unabhängigen Stars, die die Behörden in Russland kritisieren? Es gibt keine, es gibt keine mehr – entweder sind sie ins Ausland geflohen (Juri Dud und Alexander Newsorow werden als Beispiele angeführt), oder sie schweigen ohne Zugang zum Sendewesen." Mit anderen Worten: In den USA gäbe es Freiheit, aber bei uns in Russland gäbe es nur Totalitarismus, der bei aller antiwestlichen Rhetorik auch von westlicher Anerkennung träume.

Es stimmt, dass es bei uns keinen sehr populären politischen Fernsehmoderator gibt, der Putin scharf kritisiert. Der Hauptgrund dafür ist aber, dass wir keine solche Spaltung der Gesellschaft haben wie in den USA. Wir haben Meinungsverschiedenheiten in der Gesellschaft, wir haben Rechte und Linke, aber wir haben keine radikalen und immer weiter auseinander gehenden Vorstellungen über Werte, über den Weg, den das Land gehen sollte. Und in den Vereinigten Staaten ist genau dies der Fall: Die eine Hälfte der Gesellschaft ist für Donald Trump und die andere für den konditionierten Biden – also für die Veränderung der Struktur der US-amerikanischen Gesellschaft in Richtung einer Aushöhlung ihrer weißen protestantischen Basis verändert, während die Vereinigten Staaten weiterhin den Ambitionen der globalistischen Elite dienen und versuchen, ihre Rolle als Welthegemon zu behalten. Diese Kluft vertieft sich, und Tucker Carlson ist das wichtigste Sprachrohr der Trump-Seite, also derjenigen, die mit der Zusammensetzung und der Politik des Establishments unzufrieden sind. Carlson punktet nicht nur mit seiner Kritik an Biden, sondern auch mit der Tatsache, dass er eine ganz bestimmte ideologische und politische Linie vertritt. Und wofür stehen unsere Duds und Newsorows? Die Dämonisierung von Putin? Für die Niederlage ihres eigenen Landes? Die Kapitulation (zuerst moralisch und jetzt militärisch) vor dem Westen? Von welcher Art massenhafter Unterstützung in der Öffentlichkeit kann in diesem Fall überhaupt die Rede sein?

Dass Tucker Carlson die US-Unterstützung für die Ukraine immer wieder kritisiert, liegt nicht an seiner Russophilie, sondern an seinem Verständnis der US-Interessen, das bei vielen US-Amerikanern Anklang findet. Es ist kein Geheimnis, dass er schon lange ein Interview mit Wladimir Putin führen wollte: Vor drei Jahren sagte er, dass die US-Geheimdienste ihn verfolgt hätten, als sie davon erfuhren. Jetzt wird in den USA bereits darüber geschrieben, dass Carlson Putin eine Botschaft von Trump überbringt, was natürlich lächerlich ist. Für Trump und Carlson wird Putin als Kritiker von Biden gebraucht, das heißt, als Kritiker der Politik der US-Regierung, welche die Ukraine gegen Russland unterstützt. "Der verrückte Joe bringt uns an den Rand eines Weltkriegs mit einem atomaren Russland", sagen die Trumpisten, und Putins Interview soll ihre Argumente bestätigen.

Russlands Präsident wird also im innenpolitischen Kampf der USA, im Präsidentschaftswahlkampf, instrumentalisiert? Natürlich, und er versteht das sehr gut. Außerdem wird er sich gerne darauf einlassen, denn anders als bei der übertriebenen "russischen Einmischung" in die Wahl 2016 auf Trumps Seite (damals hat er absolut ehrlich gewonnen), wird der russische Faktor jetzt wirklich eine wichtige Rolle für den Ausgang der Wahlen spielen. Nicht wegen unserer Bemühungen, sie zu beeinflussen, sondern wegen des Zustands der US-amerikanischen Gesellschaft und der internationalen Lage. Die USA führen einen Stellvertreterkrieg mit Russland – einen Krieg durch Dritte für ihre eigenen Interessen. Nur sind das nicht die Interessen der Mehrheit der US-amerikanischen Gesellschaft, sondern die der Mehrheit ihrer Eliten – und hier kann Putins Wort wirklich den Ausschlag in die richtige Richtung geben. Es ist also nicht Russland, das die Zustimmung des Westens braucht, es sind die USA, die auf Putins Wort warten.

Übersetzt aus dem Russischen. Die Erstveröffentlichung erfolgte am 6. Februar 2024 bei RIA Nowosti.

Pjotr Akopow ist Kolumnist und Analytiker bei RIA Nowosti.

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