Nordamerika

Uni-Absolventen: Wie ein Leben unter dem Dach der Eltern den amerikanischen Traum ersetzt

Hochschulabsolventen in den USA können sich den glorreichen Konsumismus, der diese Nation im Grunde definiert, nicht mehr leisten. Alles in allem scheint es keine schwierigere Zeit für Hochschulabsolventen gegeben zu haben, weil ihnen so viele systemische Probleme im Weg stehen.
Uni-Absolventen: Wie ein Leben unter dem Dach der Eltern den amerikanischen Traum ersetztQuelle: Gettyimages.ru

Von Robert Bridge

Es war einmal, dass die Verwirklichung des amerikanischen Traums ein gewisses Maß an Konsum erforderte, so wie der Besitz eines Eigenheims und eines Autos. Heutzutage schrecken jedoch immer mehr junge Menschen angesichts der großen wirtschaftlichen Unsicherheit davor zurück, dieser verführerischen Illusion nachzujagen.

Es ist ein typischer US-amerikanischer Ritus: Jedes Jahr verlassen Millionen junger Menschen das Familiennest und machen sich auf den Weg zur Universität, woraufhin in der Regel eine eigene Karriere und eine eigene Familie gegründet werden. Doch diese Jahrzehnte alte Tradition hat in vergangener Zeit einen Rückschlag erlitten. Viele Absolventen der Universitäten flüchten zurück ins Elternhaus, sobald sie einen Eindruck von den harten wirtschaftlichen Realitäten bekommen haben, jenseits des geschützten Campus der Universität, wie sich ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung leisten zu müssen.

So etwas hat es in den USA seit den Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise nicht mehr gegeben: 45 Prozent aller US-Amerikaner im Alter von 18 bis 29 Jahren – etwa 23 Millionen junge Männer und Frauen – leben immer noch unter dem Dach ihrer Eltern, wie aus einer Umfrage von Harris Poll hervorgeht, die im Auftrag von Bloomberg News durchgeführt wurde.

Die neu entdeckte Vorliebe für das Leben unter dem Dach des Elternhauses ist keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass die Zinsen für Hypotheken derzeit auf einem 22-Jahres-Hoch liegen, bei 7,23 Prozent für eine 30-jährige Festhypothek, während die Immobilienpreise sprichwörtlich durch die Decke gegangen sind. Im zweiten Quartal 2023 lag der durchschnittliche Verkaufspreis der in den Vereinigten Staaten verkauften Häuser bei 495.100 US-Dollar und damit nur 60.000 US-Dollar unter dem Rekord von Ende 2022. Seit Anfang 2019 sind die Kosten für den Kauf eines Eigenheims um 10 Prozent gestiegen – um mehr als hunderttausend Dollar. Es überrascht nicht, dass die Nachfrage nach Hypotheken auf den tiefsten Stand seit 28 Jahren gesunken und im Vergleich zum Vorjahr um 44 Prozent zurückgegangen ist.

Unterdessen sind die Aussichten für Hochschulabsolventen in den USA, eine Wohnung oder ein Haus zu mieten, nicht viel besser geworden. Nach Angaben des Maklerunternehmens Redfin, lag der mittlere Mietpreis im August bei 2.052 US-Dollar, ein Plus von 0,7 Prozent gegenüber Juli und nur zwei US-Dollar unter dem Allzeithoch von vor einem Jahr. Doch es sind nicht nur raffgierige Vermieter, die dafür verantwortlich sind, dass US-amerikanische Hochschulabsolventen bei ihren Eltern unterkommen müssen.

Tatsächlich ist es unmöglich, die Trübsal und die Untergangsstimmung auf dem US-Immobilienmarkt anzusprechen, ohne die mächtigen neuen Monster auf dem Immobilienmarkt zu erwähnen: die institutionellen Anleger. Während der Finanzkrise von 2008, als die US-Verbraucher unter Druck gesetzt und Bankinstitute gerettet werden mussten, entdeckten Investmentfirmen wie BlackRock, JPMorgan Chase, Goldman Sachs und Capitol One einen hinterhältig einfachen Weg, sich auf Kosten der 99 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung zu bereichern. Sie lancierten eine landesweite Kampagne, bei der sie Hunderttausende Wohnhäuser mittlerer Preisklasse aufkauften, um diese dann zu einem stattlichen Mietpreis an das US-amerikanische Volk zu vermieten. In den meisten Fällen konnten Hausverkäufer den aggressiven Taktiken dieser allmächtigen Konzerne nicht widerstehen, die darin bestanden, ihre Mitbewerber mit barem Geld zu überbieten. Dieser Massenaufkauf von Immobilien hat die USA nicht nur zu einer Nation von Mietern gemacht, sondern auch dazu geführt, dass die Immobilienpreise im ganzen Land in die Höhe geschossen sind.

"Das ist die große Kehrseite", sagte Daniel Immergluck, Professor für urbane Forschung an der staatlichen Universität von Georgia, gegenüber der New York Times. "Während einer der größten Erholungen der Grundstückswerte in der Geschichte des Landes, 2010 und 2011, haben wir enorme Zuwächse bei den Werten für Immobilien erlebt. Aber statt dass diese Grundstückswerte Menschen mit mittlerem Einkommen zugutekamen und Hausbesitzern mit mittlerem Einkommen, von denen viele während der Krise aus dem Markt für Wohneigentum verdrängt wurden, sind diese Grundstückswerte großen Unternehmen und ihren Aktionären zugutegekommen."

Ob geplant oder nicht, das alles klingt verdächtig im Einklang mit dem inoffiziellen Motto des Weltwirtschaftsforums WEF: "Du wirst nichts besitzen und glücklich sein". Ein Mantra für das zukünftige Leben der westlichen Gesellschaft.

Und dann gibt es noch eine Sache, die junge US-Amerikaner in dieser frühen Phase ihres Lebens tatsächlich besitzen: hohe Schulden für das Studium in Form eines Kredits, zusammen mit Schulden auf ihren Kreditkarten. Dies erklärt, weshalb so viele Hochschulabsolventen das Gefühl haben, der amerikanische Traum sei nichts weiter als eine Fata Morgana.

Laut einer Umfrage von Life and My Finances vom vergangenen Juli, verdient die Hälfte der Kreditnehmer nicht genug, um die Kosten für ihre Kredite für das Studium zu decken. Was umso besorgniserregender ist, wenn man bedenkt, dass der ehemalige US-Präsident Donald Trump den Kreditnehmern ein dreijähriges Moratorium für ihre Rückzahlungen gewährt hat, was am ersten September dieses Jahres ausgelaufen ist. Dieser verzweifelte Zustand hat dazu geführt, dass viele junge Menschen den wahren Wert einer Ausbildung an einer Hochschule infrage stellen, weil eine solche sie nur für viele Jahre mit Schulden belasten wird. Die Ernüchterung scheint sich auch in den Studienplänen der Universitäten widerzuspiegeln. Im Frühjahr 2022 haben sich rund 662.000 Studierende weniger eingeschrieben –  ein Rückgang von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Alles in allem scheint es keine schwierigere Zeit für Hochschulabsolventen gegeben zu haben, wenn ihnen dermaßen viele systemische Probleme im Weg stehen. Aber zumindest können viele von ihnen Trost im Wissen finden, dass sie unter dem Dach ihrer Eltern Zuflucht suchen können, bis der Sturm vorüber ist – und vielleicht sogar etwas Geld sparen, was der hauptsächliche Grund für US-amerikanische Hochschulabsolventen ist, sich dafür zu entscheiden, bei Mama und Papa zu leben.

Wie die Filmfigur Dorothy, im Film "Der Zauberer von Oz", nur zu gut wusste: "Es gibt keinen besseren Ort als zu Hause."

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schwerster Armut

Aus dem Englischen.

 

Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist Autor von "Midnight in the American Empire", Wie Konzerne und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören. Man findet ihn auf X unter @Robert_Bridge

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