Nordamerika

Die USA könnten problemlos zwei Kriege finanzieren – Aber sollten sie das tun?

US-Finanzministerin Janet Yellen hat deutlich gemacht, dass es immer Geld für Kriege geben wird. Sie hat aber nicht erwähnt, dass es auch immer genug Geld für die Menschen im eigenen Land geben sollte. Die USA müssen sich darauf konzentrieren, dieses Geld für ihre eigenen Bürger auszugeben.
Die USA könnten problemlos zwei Kriege finanzieren – Aber sollten sie das tun?© AP Photo/Lindsey Wasson

Von Bradley Blankenship

US-Finanzministerin Janet Yellen sorgte vergangene Woche für Schlagzeilen, als sie sagte, dass die USA es sich leisten könnten, Israel und die Ukraine bei ihren jeweiligen Kriegsanstrengungen zu unterstützen. "Die Vereinigten Staaten können es sich auf jeden Fall leisten, an der Seite Israels zu stehen und Israels militärische Bedürfnisse zu unterstützen. Und wir können und müssen auch die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland unterstützen", sagte Yellen gegenüber dem britischen Sender Sky News.

"Die Inflation war hoch und bereitete den individuellen Haushalten Sorgen. Aber die Inflation sinkt erheblich. Gleichzeitig haben wir mit einer Arbeitslosenquote von 3,8 Prozent den stabilsten Arbeitsmarkt seit 50 Jahren. Und gleichzeitig hat unser Land, die Biden-Administration, Gesetze verabschiedet, die unsere Wirtschaft mittelfristig in den kommenden Jahren stärken werden", betonte Yellen.

Abgesehen von der offensichtlichen Tatsache, dass dies alles nicht zutrifft, abgesehen davon, dass das US-Repräsentantenhaus derzeit keinen vorsitzenden Sprecher hat und daher weder Israel noch der Ukraine finanzielle oder militärische Mittel genehmigen kann, muss man die grundsätzliche Weisheit der Vorstellung von Yellen infrage stellen. Selbst wenn die USA es sich theoretisch leisten könnten, beide Kriege zu unterstützen, ist es dann wirklich eine Sache, die das hart verdiente Steuergeld der US-amerikanischen Steuerzahler wert ist?

In meiner Kolumne von vergangener Woche für RT verwies ich beispielsweise auf die Tatsache, dass ein 24 Milliarden US-Dollar schweres Programm für eine COVID-19-bezogene Unterstützung von Kindertagesstätten landesweit zu Ende gegangen ist, was sich einer Schätzung zufolge auf 3,2 Millionen Kinder in den USA auswirken wird. Es werden 10,6 Milliarden US-Dollar an Einkommen durch eingeschränkte Arbeitsproduktivität verloren gehen, da Eltern ihre Arbeitszeit kürzen oder ihren Arbeitsplatz gänzlich aufgeben müssen, auf der Suche nach einer neuen Form der Betreuung für ihre Kinder. Zudem bedeutet das Ende des Förderprogramms, dass in den USA landesweit bis zu 70.000 Kitas geschlossen werden.

Aber man kann das Ganze auch etwas größeren Dimensionen gegenüberstellen. Schätzungen zufolge haben die USA bisher allein der Ukraine rund 100 Milliarden US-Dollar zugeschoben. Jetzt hat die Administration von Joe Biden dem Kongress einen Entwurf eines Hilfspakets vorgelegt, das weitere 100 Milliarden US-Dollar für Israel, die Ukraine und für die Grenzsicherung an der Südgrenze zu den USA zu Mexiko vorsieht, wobei der Hauptteil der Gelder für Israel und die Ukraine bestimmt wären. Wenn sich die USA hunderte Milliarden für Bomben für ihre Stellvertreterkrieger leisten können, was könnte sich Washington sonst noch leisten?

Nun, für nur geschätzte 173 Milliarden US-Dollar mehr, könnten die USA Präsident Bidens ursprünglichen Plan umsetzen, jedem Studenten und jeder Studentin mit einem Studienkredit 10.000 US-Dollar an Schulden zu erlassen. Praktisch alle Untersuchungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass ein einheitliches nationales Gesundheitssystem in den USA sich nicht nur amortisieren würde, sondern die US-Bürger über Jahrzehnte hinweg sogar mehrere Milliarden an Gesundheitskosten einsparen könnten. Um die landesweite Versorgung mit Krankenversicherungen zu verbessern, würden 200 Milliarden US-Dollar zweifellos beitragen. Schließlich wird von Experten geschätzt, dass die Einführung eines gebührenfreien Hochschulmodells die USA etwa 58 Milliarden US-Dollar kosten würde – nur etwa ein Viertel der aktuellen und geplanten Ausgaben für die Ukraine und Israel.

Die USA befinden sich in einer traurigen Lage. Auch wenn sie allein aufgrund ihres technologischen Vorsprungs, ihrer militärischen Stärke und ihrer Energieunabhängigkeit möglicherweise besser abschneiden als Europa. Den Menschen in den USA geht es heute deutlich schlechter als der Generation ihrer Eltern. Wohneigentum ist unerreichbar teuer geworden, Ruhestandsplanung wurde zur Lotterie und die Möglichkeit, mehr als nur den Lebensunterhalt zu verdienen, ist für die meisten mittlerweile in weite Ferne gerückt. Sogar die oben erwähnten Vorteile, die die USA gegenüber ihren Rivalen im Globalen Norden zu haben scheinen, werden von Rivalen wie China in Schach gehalten – und zwar ausschließlich aufgrund der mangelnden Bereitschaft in Washington, in etwas anderes als den unendlich korrupten militärisch-industriellen Komplex zu investieren.

Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, bringt die Strategie, diese beiden Stellvertreterkriege in Israel und der Ukraine gleichzeitig zu schüren, das US-amerikanische Imperium in ein ernsthaftes Problem der Gleichzeitigkeit. Mit der Aussicht, in zwei Kriegen – in Europa und im Nahen Osten – verwickelt zu sein und möglicherweise in einen dritten Krieg um Taiwan zu schlittern, den es immer stärker provoziert, ohne die ernsthafte Aussicht darauf, einen dieser Kriege zu gewinnen. Es gibt keine realistische militärische Strategie, die es Washington erlauben würde, gleichzeitig mit Russland und der gesamten muslimischen Welt in den Ring zu treten. Dies wurde allein durch den gescheiterten Stellvertreterkonflikt in der Ukraine deutlich, um nicht zu erwähnen, was sich im Konflikt in Israel mit Gaza zeigen wird. China könnte als zusätzlicher Akteur in den Kampf einsteigen.

Wir kehren also zu der Frage zurück: Selbst wenn die USA es sich theoretisch finanziell leisten könnten, beide Kriege zu unterstützen, ist dies eine Sache, die das hart verdiente Geld der US-amerikanischen Steuerzahler wert ist? Natürlich ist es das nicht. Die USA müssen sich im Interesse der eigenen Bevölkerung und der Menschheit darauf konzentrieren, dieses Steuergeld im eigenen Land und im Interesse der eigenen Bürger zu investieren und gleichzeitig zur Diplomatie zurückkehren. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die beiden bestehenden Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine – und den potenziellen dritten [in Taiwan] – alle Atomstaaten betreffen. Es ist an der Zeit, ernsthaft über unsere nationalen Prioritäten nachzudenken, wenn wir [die USA] hoffen, als Nation oder sogar als Spezies zu überleben.

Übersetzt aus dem Englischen.

Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Man findet ihn auf X unter @BradBlank_.

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