Meinung

Willkommen im Selenskij-Saluschny-Zirkus! Hahnenkampf in den Machtzirkeln von Kiew

Der spektakuläre Misserfolg von Kiews Gegenoffensive im vergangenen Sommer, der in der gesamten geopolitischen Galaxie Widerhall fand, hat vorhersehbar genau das hervorgerufen, was jeder mit Verstand erwartet hatte: einen Hahnenkampf in den Machtzirkeln in Kiew.
Willkommen im Selenskij-Saluschny-Zirkus! Hahnenkampf in den Machtzirkeln von KiewQuelle: AFP © Anatoli Stepanov

Von Pepe Escobar

Betreten wir den Selenskij-Saluschny-Zirkus – insbesondere nachdem Saluschny, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, öffentlich zugeben musste, dass der Krieg "in eine Pattsituation geraten ist" – das ist Schönsprech für "wir stecken tief in Schwierigkeiten". Er verwies auch auf "Positionsverteidigung" – Schönsprech für "Wir werden noch mehr Territorium verlieren".

Der Hahnenkampf zwischen der Fraktion von Selenskij und Saluschny scheint in die Gefilde der Mafia-Kriege abzudriften, nachdem der 39-jährige Adjutant von Saluschny, Gennadi Tschastjakow, "versehentlich" eine ihm geschenkte Bombe zündete, dabei seine Tochter schwer verletzt wurde und er sich selbst in Fetzen sprengte.

Dies könnte man auf den ersten Blick als eine weitere verrückte Nummer im Stil eines Quentin Tarantino betrachten (Pulp Fiction), an dem sich die Platzhirsche beteiligen, ohne die Filmfigur eines Winston Wolf, der "die Probleme löst". Aber der Vorgang transportiert eine bedrohliche Botschaft für Saluschny: Von nun an sollte er sich besser vor "Freunden" hüten, die Geschenke mitbringen. Mafia-Stil eben.

Was die ukrainische Gegenoffensive betrifft, so scheint dieser Akt praktisch abgeschlossen zu sein. Es wird keine weitere Offensive geben – weil keine Waffen, keine Mittel und keine Truppen mehr zur Verfügung stehen, um sie erneut anzutreiben – außer ein paar ukrainischen Bürgern im fortgeschrittenen Alter und ahnungslosen Hausfrauen, die von den "Sicherheitsdiensten" abgefangen werden, wenn sie den Supermarkt verlassen.

Ein moralisch-psychologisches Debakel

Das bringt uns zu einer weiteren Momentaufnahme dessen, was wirklich an der Front in der Ukraine passiert. Das beigefügte Dokument, dessen Echtheit vollständig überprüft wurde, ist ein Bericht von Mitte Oktober an den Kommandeur des 10. Armeekorps der ukrainischen Streitkräfte.

In diesem Bericht heißt es, dass die 116. separate mechanisierte Brigade "wegen der hohen Verluste und der großen Zahl von Soldaten, die psychologische und medizinische Hilfe benötigen, nicht in der Lage ist, Offensivoperationen durchzuführen". Die 116. Brigade ist bereits seit fünf Monaten intensiv an militärischen Operationen in der Region Saporoschje beteiligt. Drei Monate lang war die Brigade Teil des 10. Armeekorps.

Der Bericht gibt an, dass die Verluste der Brigade sich auf 94 tote Soldaten belaufen, 1.122 Verwundete und 95 Vermisste. Das entspricht 25 Prozent der gesamten Mannschaftsstärke. Was die moralisch-psychologische Front betrifft, so wird davon ausgegangen, dass mindestens 153 Soldaten einer sofortigen psychologischen Rehabilitation wegen post-traumatischen Erlebnissen bedürfen. Diese Brigade ist eine recht bedeutende Einheit. Was impliziert wird, ist, dass ein moralisch-psychologisches Debakel nun als Systemfehler im Herzen des ukrainischen Militärs verankert wurde. Die kurz- und mittelfristigen Folgen werden verheerend sein.

All dies geschieht, während der Zustrom ausländischer Söldner an die Seite der ukrainischen Streitkräfte versiegt. Was kein Wunder ist: Man betrete den perfekten Sturm, der über die ukrainischen Brigaden hinwegfegt und die damit gründlich dezimiert werden, und beobachte gleichzeitig das unsagbare Ausmaß an Korruption. Dann wird man feststellen, dass es bessere "Karrieremöglichkeiten" im wieder entfachten ewigen Krieg zwischen Israel und Palästina gibt.

Zivilisten in Charkow bestätigen beispielsweise, dass ausländische Söldner, die Polnisch oder Englisch sprechen, mittlerweile "fast nicht mehr anzutreffen" seien. Nichts davon bedeutet, dass die Dinge für Russland von nun an ein Kinderspiel sein werden. So ist es der russischen Armee bis heute nicht gelungen, den ukrainischen Brückenkopf am Dnjepr in Cherson zu zerstören. Und im weiteren Verlauf des Krieges wird es immer schwieriger, die Ukrainer vom Ostrand des Dnjepr zu vertreiben.

Die russischen Militärmedien tun auf höchster Ebene ihr Bestes, um schwerwiegende Fälle von Defiziten der russischen Armee deutlich hervorzuheben. Das ist ihre Pflicht – und dazu gehört es, die öffentliche Meinung zu stärken und die russische Armee zu zwingen, ihre Fehler zu korrigieren und vor allem den Feind nicht zu unterschätzen.

Schließlich ist das alles noch lange nicht vorbei – ganz gleich, wie heftig die Machtkämpfe in Kiew derzeit toben.

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Aus dem Englischen.

Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.