Meinung

Häftling P01135809

Am Donnerstag tauchte der 45. Präsident der USA, Donald J. Trump, im Gefängnis von Fulton County in Atlanta auf, ließ sich dort demütigen und wie ein Krimineller ablichten, zahlte die Kaution und startete direkt in den Wahlkampf. Das Gebaren der US-Justiz könnte dazu beitragen, dass der 45. Präsident auch der 47. sein wird.
Häftling P01135809Quelle: AFP © JOE RAEDLE / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / Getty Images via AFP

Von Walentin Bogdanow

Es war keine halbe Stunde, die Donald Trump am Donnerstag im Gefängnis von Fulton County verbringen musste. Diejenigen, die ihn dorthin geschleppt hatten, hielten es offenbar für ausreichend, ihm Fingerabdrücke abzunehmen, seine Größe (190,5 Zentimeter) zu messen und ihn zu wiegen (97,5 Kilogramm). Der Höhepunkt des formellen Festnahmeverfahrens, für den all dies offenbar organisiert wurde, war der sogenannte Mug Shot. Einfach gesagt, das Schießen eines Täterfotos.

Es ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass ein ehemaliger amerikanischer Präsident auf einem solchen Foto abgebildet ist. Trump (und auch das ist ein Novum) wurde sogar eine Nummer in der Datenbank des Sheriffs zugewiesen. Für die Strafverfolgungsbehörden von Fulton County ist er nun Häftling Nummer P01135809.

Die Farbe seiner Haare und seiner Haut – "erdbeerblond". Genauso haben sie es aufgeschrieben. Aber diese und andere Demütigungen werden Trumps Feinde heimgezahlt werden. Das Energiebündel ging ohne Verschnaufpause in die Offensive.

Keine zwei Stunden nach dem "Fotoshooting" war das berüchtigte Foto auf Twitter. Beziehungsweise – wie es neuerdings heißt – auf der "Plattform X". Zum ersten Mal, seit er dort 2021 gesperrt wurde, hat Trump dort eine Nachricht gepostet. Er selbst, unter seinem eigenen Namen und auf seinem eigenen Konto.

Vielleicht hat nicht jeder sofort begriffen, was passiert ist, aber es scheint, dass der 45. Präsident den Rubikon überschritten hat. Die Würfel sind gefallen.

Sein Tweet (aka X) mit Worten über die Einmischung in die Wahlen und dem Aufruf, niemals aufzugeben, wurde nur 24 Stunden nach der Veröffentlichung von Trumps Interview mit Tucker Carlson auf derselben Plattform veröffentlicht. Er erreichte bereits 174 Millionen Aufrufe, und stündlich kommen Hunderttausende weitere hinzu. 13 Millionen Zuschauer bei einer republikanischen Kandidatendebatte sind dagegen peinlich für die Partei und alarmierend für ihr Establishment.

Innerhalb von 24 Stunden hat Donald Trump den Bossen klargemacht, dass er notfalls auch ohne sie antreten wird. Das ganze Kalkül der Demokraten beruht darauf, dass Trump und die Partei gespalten sind.

Nicht umsonst wurde bei der besagten Debatte die Frage gestellt: "Werden Sie Trump unterstützen, wenn er verurteilt wird?" Sechs der acht Kandidaten hoben bejahend die Hand. Das ist eine wichtige Botschaft. Wer heute gegen Trump ist, ist gegen Millionen von republikanischen Wählern. Man ist auf der sicheren Seite, wenn man für Trump ist.

Die rüpelhafte Verhaftung in Georgia wird seinen Vorsprung innerhalb der Partei nur vergrößern und ihm finanziell helfen: Keine paar Stunden später boten Online-Shops im MAGA-Segment ("Make America Great Again") bereits T-Shirts mit einem Bild von Trump im Gefängnis an. Sie verlangten jeweils 30 Dollar.

Das Geld soll an einen Rechtshilfefonds gehen. Es wird gebraucht. Es gibt noch 18 weitere Angeklagte in dem Fall in Georgia. Der Milliardär Trump hat natürlich die 200.000 Dollar für die Kaution. Aber sein Partner, der Leiter von Black Voices for Trump, konnte das Geld nicht aufbringen. Harrison Floyd ist die erste Person, die in diesem Fall ins Gefängnis muss. In eine dieser gruseligen Zellen, in denen die Insassen des Fulton County Jail von Bettwanzen bei lebendigem Leibe aufgefressen werden.

Staatsanwältin Fannie Willis, die Floyd ins Gefängnis schickte und davon träumt, auch Trump dorthin zu schicken, sollte sich selbst nicht in Sicherheit vor dem Gefängnis wähnen. Wütende Republikaner im Repräsentantenhaus haben Ermittlungen gegen sie eingeleitet. Sie fordern Korrespondenzen und verschiedene Dokumente. Sie stellen direkte Fragen:

Arbeitet die Staatsanwältin mit der Regierung Biden zusammen?

Arbeitet sie mit dem Sonderstaatsanwalt Jack Smith zusammen, der zwei andere Fälle gegen Trump betreut?

Verwendet sie Bundesmittel für die Ermittlungen?

Einfach ausgedrückt: Ist Willis nicht eine Staatsanwältin auf Bestellung, die fremde Aufträge ausführt?

Willis setzt sich jedoch nicht nur für Joe Biden ein, sondern auch für sich selbst. Sie steht im Jahr 2024 zur Wiederwahl. Es ist kaum ein Zufall, dass ihre Wahlkampf-Webseite nur vier Tage vor der Eröffnung des Verfahrens ins Netz gestellt wurde. Deshalb ist auch keine Rede davon, den Fall zu verschieben. Die Staatsanwältin will den Prozess bereits am 23. Oktober beginnen.

Nur ist Trump nicht der geeignetste Gegner für Nullsummenspiele. Er hat in seinem Leben schon zu viele Gegner besiegt. Und zu Nullen gemacht.

Übersetzung aus dem Russischen.

Walentin Bogdanow ist Leiter des New Yorker Studios der russischen TV- und Rundfunkanstalt WGTRK.

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