Meinung

Der AfD-Fall Mittenwald: Blutiges Edelweiß und geheuchelte Demokratie

Wenn es um die AfD geht, gelten die ganz normalen demokratischen Regeln nicht. Das wurde jetzt auch in Mittenwald zelebriert, indem ein Nachrücker der AfD im Kreistag abgelehnt wurde. Aber die politische wie die geografische Umgebung machen diesen Akt zu einer Perversion.
Der AfD-Fall Mittenwald: Blutiges Edelweiß und geheuchelte Demokratie© Nationalmuseet - National Museum of Denmark from Denmark, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons

Von Dagmar Henn

Reden wir über Mittenwald. Oder Garmisch-Partenkirchen. Oder über die Abgründe, die sich in einem der landschaftlich reizvollsten Winkel Deutschlands verbergen. Denn diese "Sternstunde der Demokratie", wie die Fraktionschefin der Grünen im Garmisch-Partenkirchener Kreistag die Ablehnung eines AfD-Nachrückers nannte, hat einen ganz besonderen Geschmack. Und der lässt sich nicht gut verbergen.

So fand die Sitzung des Kreistages im Offiziersheim der Mittenwalder Gebirgsjäger statt. Das liefert gewissermaßen den Unterton für diesen Moment. Dazu muss man wissen, dass die Mittenwalder Gebirgsjäger, deren Erkennungszeichen das Edelweiß ist (das der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij inzwischen auch einer ukrainischen Einheit verliehen hat), eine der verbrecherischsten Einheiten der Naziwehrmacht waren.

Sie waren nicht nur die "Partner" des Bataillons Nachtigall beim Pogrom in Lemberg; ihre Spuren finden sich in Kommeno und in Kalavryta in Griechenland. Eine Elitetruppe mit einer besonders blutigen Geschichte, die der Historiker Hermann Frank Meyer unter dem Titel "Blutiges Edelweiß" auf mehreren hundert Seiten beschrieb.

Oberhalb von Mittenwald, am Hohen Brendten, trifft sich nach wie vor jährlich eine ganz besondere Truppe zu einer Gedenkfeier; Die letzte fand erst am 14. Juli dieses Jahres statt. Ehemalige Gebirgsjäger kommen dorthin, aber auch Vertreter der ehemaligen Verbündeten, beispielsweise eben der OUN-B, der Bandera-Truppen. Über viele Jahre hinweg gab es regelmäßige Proteste gegen dieses Treffen in Mittenwald, an dem, nebenbei, auch gerne Vertreter der CSU teilnahmen; die Proteste fanden zuletzt im Jahr 2009 statt, inzwischen scheint diese Variante des Antifaschismus nicht mehr so aktuell.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Region um Mittenwald eine der Gegenden gewesen, in der viele der vor der siegreichen Roten Armee geflohenen ukrainischen Kollaborateure untergebracht worden waren. "Die Militärverwaltung errichtete von April 1946 bis Ende Januar 1952 ein DP-Lager für jüdische und ukrainische sogenannte Displaced Persons (DPs). Unter den Flüchtlingen befanden sich zum Teil heimatlose Ausländer und Angehörige der Wlassow-Armee. Auch Polen, Weißrussen und Russen waren unter ihnen vertreten. Die osteuropäischen DPs wurden in der Gebirgsjägerkaserne und im Lager Luttensee (der heutigen Luttensee-Kaserne) untergebracht." So eine Stadtplanseite über diese Phase der Mittenwalder Geschichte.

Man kann es auch anders formulieren. In diesem Winkel Bayerns, im Grenzgebiet zu Österreich, zwischen den malerischsten Bergen und Flüssen, fand sich nicht nur eine erstaunlich hohe Dichte von Nazis. Es fand sich auch alles, was sich ihnen angedient hatte. Es war die Feier auf dem Hohen Brendten, die die Atmosphäre der Gegend charakterisierte, nicht das erst 2010 errichtete Mahnmal für den Todesmarsch aus dem KZ Dachau, der im Frühjahr 1945 in Mittenwald endete. Die Landkreise Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgadener Land mit ihrer ganz eigenen Mischung aus Kasernen und Tourismus waren in all den Jahrzehnten politisch der finsterste Winkel, der sich in Bayern finden ließ.

Und es gab nicht nur diese finstere Tradition in der Bundeswehr, auch die US-Armee war in der Gegend anwesend und betrieb dort das "US Army Russian Institute", über das im Mai 1989 die Los Angeles Times unter der Überschrift "Nennen Sie es nur keine Agentenschule" berichtete. Nicht überraschend; die Kontrolle über die Organisationen der ehemaligen Nazi-Kollaborateure war phasenweise immer mal wieder zwischen den deutschen und den US-amerikanischen Betreuern geteilt, und die Übergänge zwischen ihnen und den gerade für die CSU in Bayern wichtigen Vertriebenenverbänden waren fließend.

Man kann einen Schatten davon noch in der Veranstaltung finden, die die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen Elisabeth Koch, die es für eine demokratischen Heldentat hält, einen AfD-Nachrücker aus dem Garmisch-Partenkirchener Kreistag zu halten, zusammen mit dem George C. Marshall Europäischen Zentrum für Sicherheitsstudien zum Jahrestag des Beginns des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine abhielt. Das George C. Marshall Zentrum, 1993 gegründet, wird von US-Armee und Bundeswehr gemeinsam betrieben und richtet sich vor allem auf – nun, die Zusammenarbeit mit ebenjenen Kräften, die seit 1945 rund um Mittenwald vertreten sind. Also nicht nur auf die Ukraine, sondern:

"Zusätzlich zur Unterstützung von Strategien und Zielen der Sicherheitszusammenarbeit im europäischen Theater unterstützt das Marshall Center fünf Süd- und Zentralasiatische Staaten: Kasachstan, die Kirgisische Republik, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Das Marshall Zentrum hat auch eine Unterstützungsbeziehung mit der Mongolei."

Das George C. Marshall Zentrum wurde, so findet sich das in einem Dokument des US-amerikanischen Defense Technical Information Center, "aus den Überresten des aufgelösten Russischen Instituts der US-Armee im schönen bayerischen Kurort Garmisch-Partenkirchen neu erfunden". Wenn man einen Ort sucht, von dem aus die langjährige Vorbereitung des Maidan-Putsches in der Ukraine gelenkt wurde, brüderlich geteilt zwischen den USA und Deutschland, dann wird man im Landkreis Garmisch-Partenkirchen fündig.

Nachdem wir nun geklärt haben, welche historischen wie auch aktuellen Bezüge schon allein durch den Ort der Kreistagssitzung im Mittenwalder Offiziersheim aufgerufen werden, zurück zu jener "Sternstunde der Demokratie". Der zurückgewiesene Nachrücker Albert Mutschlechner, ein 65-jähriger Lkw-Fahrer, wird beschuldigt, auf Facebook, übrigens auf einem privaten, keinem öffentlichen Account, "rechte Parolen, Hetze gegen Linke und Grüne" verbreitet zu haben, aber auch Sätze wie "Wenn ich so etwas lese, könnte ich die ganze Regierung todschlagen" (sic). "Er bezeichnet die Vertreter dieser Parteien als Idioten oder Volksverräter."

Nun sollte man wissen: Das eigentliche Oberbayern, also jene Reste, in denen die ursprüngliche ländliche Kultur noch nicht glattpoliert wurde, ist nicht dafür bekannt, höflich und zurückhaltend zu kommunizieren. Vor der Erfindung des Tourismus waren diese Winkel im Gebirge bitterarm, und die Volkshelden waren Räuber oder Wilderer, die den Gämsen hinterherpirschten, die nur der Adel erlegen durfte. Die Rettung wurde in Handwerken gesucht, die auch im Winter ausgeübt werden konnten; so kam es zu den Herrgottsschnitzern in Garmisch-Partenkirchen und den Geigenbauern in Mittenwald.

Auch Koch behauptete nicht, dass die Aussagen Mutschlechners strafbar gewesen seien. Sie wurden nur gewissermaßen als unappetitlich klassifiziert. Oder wie es das Werdenfelser Jugendbündnis gegen Rechtsextremismus auf seiner Facebook-Seite formulierte: "Das ist auch für Kritik überhaupt nicht geeignet, schon gar nicht wie sie ein Mitglied des Kreistags äußert. Das ist eine Drohung."

Was nachvollziehbar sein könnte, wenn – ja wenn nicht eine Bezeichnung der amtierenden Regierung als Idioten und Volksverräter angesichts der gegebenen Mischung aus Kriegstreiberei, katastrophaler Wirtschaftspolitik und völliger Unterwürfigkeit gegenüber den USA selbst zur Sprengung von Nord Stream bereits ziemlich nah an einer schlichten Feststellung von Tatsachen wäre. Und wenn nicht die gesamte bundesdeutsche Politik, mit der AfD als fast einziger Ausnahme (die Linke schafft da nur noch eine halbe Position), gerade bis über beide Ohren damit beschäftigt wäre, jenes Naziregime in der Ukraine an der Macht zu halten, das vermutlich vor mehr als zehn Jahren im Umfeld des George C. Marshall Zentrums ausgekocht wurde.

Die "Sternstunde der Demokratie", die ausgerechnet die Fraktionschefin der stets besonders kriegsbegeisterten Grünen, eine pensionierte Lehrerin, darin sieht, einem gleichaltrigen Lkw-Fahrer, der nun einmal schreibt, wie ihm das Maul gewachsen ist, wegen nicht strafbarer Meinungsäußerungen noch dazu völlig rechtswidrig das Nachrücken in den Kreistag zu verweigern, ist schlicht eine wertlose Inszenierung. Diese ist mindestens ebenso sehr vom Blick von oben auf die arbeitenden Klassen geprägt wie vom Streben nach ein paar billigen Schlagzeilen, in denen man wieder einmal die "Solidarität der Demokraten" zelebrieren kann.

Hätte sich das Ganze bereits vor längerer Zeit ereignet, wäre man geneigt, den Beteiligten ein tieferes Studium der bayerischen Volkskultur, insbesondere ihrer Neigung zu etwas gröberer Ausdrucksweise, zu empfehlen. Aber wenn die gesammelte Koalition der Kriegstreiber sich ausgerechnet im Offiziersheim des blutigen Edelweiß dazu gratuliert, Recht und Gesetz übergangen zu haben, um auf diese Weise einer "Demokratie" eine "Sternstunde" zu ermöglichen, durch die das ohnehin schwindende Recht der Meinungsfreiheit noch weiter zerfressen wird, einer Demokratie, die auf dem Altar des ukrainischen Nazismus geopfert wird, dann ist das nicht einmal mehr peinlich. Das ist nur noch ekelerregend.

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