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Blinken verließ den Nahen Osten – und es flogen Raketen in Richtung Jemen

US-Außenminister Antony Blinken reiste in den Nahen Osten, um angeblich zu vermitteln. Doch weder in Gaza noch im Roten Meer wurde es friedlicher. Die internationale Politik der USA zeugt immer mehr von der Unfähigkeit Washingtons, als Führungsmacht weltweit Probleme zu lösen.
Blinken verließ den Nahen Osten – und es flogen Raketen in Richtung Jemen© Evelyn Hockstein/Pool Photo via AP

Von Dawid Narmanija

Die Reise von US-Außenminister Antony Blinken in den Nahen Osten ist zu Ende gegangen. Das deutlichste Zeugnis für die Ergebnisse der Reise ist natürlich der Angriff der USA und Großbritanniens auf Jemen. Im Grunde genommen hat Washington die Konfrontation mit den Huthis auf eine neue Ebene gehoben. Es ist noch schwierig, die Folgen des Angriffs zu beurteilen, aber nach den erfolgten Raketenstarts zu urteilen, kann davon ausgegangen werden, dass Washington nicht in der Lage war, die Kampfkraft der Ansar Allah nennenswert zu beeinträchtigen. Dies bedeutet, dass das Ziel nicht erreicht wurde.

Blinken hat sich wahrscheinlich viel Mühe gegeben, den US-Partnern in der Region die Position Washingtons zu dem bevorstehenden Angriff zu vermitteln. Aber der Reihe nach: Offiziell hat der Diplomat eine ganze Woche lang versucht, den Konflikt in Gaza zu lösen.

Dies ist die vierte Reise des US-Außenministers in die Region seit Oktober. Eine solche Aktivität wirkt selbst vor dem Hintergrund seiner regelmäßigen Besuche in der Ukraine beeindruckend, die er ebenfalls viermal besucht hat, allerdings in zwei Jahren und nicht in vier Monaten.

Eine weitere Übereinstimmung zwischen diesen Reisen ist das Fehlen von Ergebnissen. Im Januar 2024 ist der Gaza-Konflikt genauso wenig vorbei wie im Oktober 2023. Ganz im Gegenteil: Die Rhetorik der israelischen Regierung und der Hisbollah lässt vermuten, dass der Libanon in den Strudel einer umfassenden Konfrontation hineingezogen werden könnte.

Alle Verhandlungen, an denen auch der US-Außenminister teilnahm, beschränkten sich im Wesentlichen auf die üblichen Floskeln: Die arabischen Länder wollen sich nicht in einen offenen Krieg verwickeln lassen, aber sie fordern, dass Israel die Operation so schnell wie möglich einstellt. Und natürlich fehlte es auch nicht an kleinen Seitenhieben. Musste der US-Außenminister bei einer seiner früheren Reisen die ganze Nacht warten, um eine Audienz bei Prinz Mohammed bin Salman von Saudi-Arabien zu bekommen, so führte Mahmoud Abbas diesmal seine Gespräche mit Blinken in einem Raum, in dem nur die palästinensische Flagge hinter dem Rücken der Teilnehmer zu sehen war. Eine US-Flagge war in Ramallah offenbar nicht zu finden.

Das einzig Auffällige war die abschließende Erklärung des US-Außenministers in Kairo. Er erklärte:

"Eine Annäherung zwischen den arabischen Ländern und Israel wäre der beste Weg, den Iran zu isolieren."

Zum Leidwesen von Blinken sind solche Ideen offenbar völlig losgelöst von der Realität. Die wichtigste Voraussetzung für alle arabischen Länder, ihre Beziehungen zu Tel Aviv zu normalisieren, ist die Beendigung der Gaza-Operation und die Gründung eines palästinensischen Staates. Das Kabinett von Benjamin Netanjahu ist zu solch einem Schritt nicht bereit.

Der israelische Ministerpräsident selbst behauptet, dass die Besetzung des Gazastreifens nicht zu seinen Plänen gehöre. Allerdings berichteten westliche Medien bereits im Dezember das Gegenteil. Darüber hinaus geben Mitglieder seines Kabinetts regelmäßig Erklärungen ab, die im Widerspruch zu Netanjahus beschwichtigenden Aussagen stehen. Zunächst fordert der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, die Vertreibung aller Palästinenser aus dem Gazastreifen, und dann bezeichnet Finanzminister Bezalel Smotrich die Bewohner des Streifens als "Nazis", die in zehn Jahren einen neuen 7. Oktober organisieren würden, wenn die Gebiete nicht von Israelis besetzt würden.

Es scheint, dass Israel keine Ahnung hat, wie die Lösung des Konflikts aussehen soll – die israelischen Streitkräfte sind lediglich damit beschäftigt, die Hamas zu vernichten, und kümmern sich wenig um die Zahl der Zivilisten, die durch die Hand des israelischen Militärs sterben. Doch Tel Avivs Mangel an einem Plan für einen Ausweg aus dem Konflikt bedroht nicht nur die Palästinenser, sondern auch Israel selbst. Denn statt der Hamas könnten sie am Ende einem Teufel gegenüberstehen, den sie noch überhaupt nicht kennen. Und das erinnert schmerzlich an die Geburt des Islamischen Staates auf den Ruinen des Irak, der von den US-Amerikanern zerstört wurde.

Niemand weiß, ob sich die Vereinigten Staaten dessen bewusst sind, aber Washington versucht tatsächlich, Druck auf Netanjahu auszuüben. Man denke nur an das jüngste Geständnis von US-Präsident Joe Biden, das von Aktivisten in South Carolina provoziert wurde, als er verkündete:

"Ich habe im Stillen mit der israelischen Regierung zusammengearbeitet, um sie dazu zu bringen, ihre Präsenz deutlich zu verringern und sich aus dem Gazastreifen zurückzuziehen."

Offen gesagt, konnte man Blinken, der bereits am nächsten Tag in Israel eintraf, das Leben kaum mehr erschweren. Solche Aussagen können in einem geschlossenen Teil im Rahmen der Verhandlungen gemacht werden, aber nicht in der Öffentlichkeit und auch nicht unter dem Druck von Demonstranten. Die Reaktion Tel Avivs war daher vorhersehbar: Verteidigungsminister Joaw Galant erklärte in Gesprächen mit dem US-Außenminister, dass die Intensität der Kämpfe zunehmen werde und die Operation selbst so lange wie nötig fortgesetzt werde.

Bidens Handeln lässt sich nur damit erklären, dass die Hilfe für Netanjahu zu einem zu giftigen Gut wird – sie beeinträchtigt die Beziehungen zum Globalen Süden und, was für die Demokraten noch wichtiger ist, den Wahlkampf: Laut einer Umfrage der New York Times unterstützen rund 57 Prozent der US-Wähler Bidens Ansatz zur Konfliktlösung nicht. Es geht dem US-Präsidenten also nicht um die Palästinenser, sondern um seine eigenen Umfragewerte.

Am Ende von Blinkens Reise in den Nahen Osten widmete ihm das Time Magazine symbolisch eine Titelgeschichte und einen ganzen Artikel unter der Überschrift "Gesandter – Außenminister Antony Blinken und der Test der US-amerikanischen Führungsrolle". Die jüngsten Ereignisse zeigen deutlich, dass die "US-amerikanische Führung" nicht nur den Herausforderungen Russlands und Chinas, sondern auch internen Kämpfen zum Opfer fallen kann. Und zwar viel früher, als Washington sich darauf vorbereiten kann.

Bidens bereits erwähnte Aussage über die "ruhige Zusammenarbeit mit Netanjahu" hat viel mit dem Angriff auf Jemen gemeinsam. Der Beschuss von Huthi-Zielen kann das Problem nicht lösen; er soll lediglich den Wunsch der USA demonstrieren, die Ordnung im Roten Meer wiederherzustellen. Um die drohende Gefahr zu beseitigen, ist eine Bodenoperation erforderlich, doch das Weiße Haus hat weder die Energie, die Zeit noch die Zustimmung der US-Bürger dazu. Ebenso sind die Enthüllungen von Joe Biden nur ein Versuch, alle davon zu überzeugen, dass Washington angeblich einen Frieden in Gaza will.

Allerdings wird der Wunsch Amerikas, als eine Führungsmacht aufzutreten, die solche Probleme lösen könnte, zunehmend von seiner Unfähigkeit überdeckt, eine solche zu sein.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst am 12. Januar 2024 bei RIA Nowosti erschienen.

Dawid Narmanija ist ein russischer Kolumnist und Blogger.

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