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Seymour Hersh: CIA-Mitarbeiter überzeugt, dass Scholz über Nord Stream eingeweiht war

Der jüngste Artikel von Seymour Hersh zu den Anschlägen auf Nord Stream klärt einige Punkte, die bisher noch missbraucht werden konnten, um die Glaubwürdigkeitseiner früheren Recherchen infrage zu stellen. Insbesondere die Frage, warum all das ihm gegenüber eigentlich ausgeplaudert wurde. Und das dürfte der Bundesregierung schwer im Magen liegen.
Seymour Hersh: CIA-Mitarbeiter überzeugt, dass Scholz über Nord Stream eingeweiht warQuelle: www.globallookpress.com © Stefan Sauer

Pünktlich zum ersten Jahrestag hat der legendäre investigative US-Journalist Seymour Hersh zum Thema der Anschläge auf die Erdgasleitungen Nord Stream noch einmal nachgelegt. In seinem neuen Text auf Substack geht es um die Vorgeschichte und den Ablauf dieser Terrorakte, und zugleich wird klar, warum Hersh überhaupt Zugang zu diesen Informationen erhielt.

Dabei weist er vor allem darauf hin, die öffentliche Abstreitbarkeit sei dem US-Präsidenten Joe Biden und seinen außenpolitischen Beratern höchst wichtig gewesen.

"Keine der bedeutenden Informationen über den Auftrag wurde auf einem Computer verfasst, sondern auf einer Schreibmaschine der Marke Royal oder vielleicht Smith Corona getippt, mit einer oder zwei Durchschlägen, als müssten das Internet und der Rest der Online-Welt erst erfunden werden."

Nur der amtierende CIA-Direktor William Burns persönlich habe die Verbindung zwischen dem US-Präsidenten und Planern und Ausführenden des Anschlags am 26.September 2022 hergestellt. So konnten alle Belege nach der Durchführung vernichtet werden: "Man könnte sagen, das war das perfekte Verbrechen."

Diese Planungen begannen laut Hersh wenige Wochen nach der Fertigstellung von Nord Stream 2, und zwar mit mehreren Treffen, die der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan einberief. Sein Gewährsmann bei der CIA sagt dazu:

"Die Regierung legte Nord Stream auf den Tisch, weil es die einzige [russische Pipeline] war, zu der wir Zugang hatten, und bei der es absolut abstreitbar wäre. Wir lösten das Problem binnen weniger Wochen – bis Anfang Januar – und teilten das dem Weißen Haus mit. Unsere Annahme war, dass der Präsident die Bedrohung von Nord Stream als Abschreckung nutzen werde, um den Krieg zu verhindern."

Der letzte Satz scheint für den ganzen Informationsfluss entscheidend zu sein. Denn es scheint auch dem Informanten wichtig zu sein klarzustellen, dass diese Planungen offiziell dazu dienen sollten, eigentlich den Frieden zu erhalten, aber dann letztlich mit einer völlig anderen Absicht umgesetzt wurden.

Am 27. Januar 2022 erklärte die  inzwischen zur stellvertretenden US-Außenministerin aufgestiegene Victoria Nuland, "Nord Stream 2 wird auf die eine oder andere Art nicht vorankommen", falls Russland in der Ukraine eingreife. Und zuvor versicherte sie allerdings noch:

"Wir haben weiterhin starke und deutliche Gespräche mit unseren deutschen Verbündeten."

Auf Nachfragen bezog sich Nuland dabei auf eine Übereinkunft zwischen Deutschland und den USA vom Juli 2021, die allerdings offiziell keine entsprechenden Drohungen oder Konsequenzen enthielt. Im Gegenteil, noch am 21. Juli 2021 hatte Biden der Presse gegenüber erklärt, dass nun, da die Pipeline weitgehend fertiggestellt sei, nichts mehr dagegen unternommen werden könne. In der zweiten Jahreshälfte 2021 muss Biden dann auf die aggressivere Linie der Neocons eingeschwenkt sein.

In der Pressekonferenz beim Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz am 7. Februar 2022 sprach Biden dann die mittlerweile weltbekannte Drohung gegen Nord Stream aus. Und Scholz kommentierte das lediglich mit der Versicherung: "Wir handeln gemeinsam. Wir sind absolut einig, und werden keine verschiedenen Schritte unternehmen." Hersh ergänzt dazu:

"Einige Mitglieder des CIA-Teams waren damals – und jetzt – der Ansicht, dass der deutsche Regierungschef volle Kenntnis von den geheimen Planungen hatte, die in Arbeit waren, um die Pipelines zu zerstören."

Die Ausführenden in der CIA waren zu diesem Zeitpunkt immer noch der Überzeugung, es ginge um Abschreckung. "Es brauchte Monate von Forschung und Training der zwei kundigen Tiefseetaucher der US Navy, die für den Auftrag in den Wogen der Ostsee rekrutiert worden waren, ehe das Startsignal kam. Norwegens hervorragende Seeleute fanden den richtigen Punkt, um die Bomben zu legen, die die Pipelines sprengen sollten." Dass auch die Pipelines von Nord Stream 2 bereits mit Gas befüllt waren, wurde dieser Truppe ebenfalls nicht mitgeteilt.

Die Sprengsätze seien so gestaltet gewesen, dass die Zündung zu einem beliebigen Zeitpunkt erfolgen konnte. "Es brauchte nur einen kurzen Flug mit einem norwegischen Kampfflieger und das Fallenlassen eines Sonargeräts am richtigen Punkt in der Ostsee, um das zu erledigen." Das würde in der kleinen Planungsgruppe gelöst, die in Oslo mit der Königlich-Norwegischen Marine und Spezialeinheiten an dem Projekt arbeitete. "Da wurde uns klar, dass der Angriff auf die Pipelines keine abschreckende Wirkung haben würde, weil wir im Verlauf des Krieges nie das Kommando erteilt bekamen."

Zum Zeitpunkt des Anschlags war diese Gruppe längst aufgelöst worden.

"Wir begriffen, dass die Zerstörung der beiden russischen Pipelines nichts mit dem ukrainischen Krieg zu tun hatte, sondern Teil einer politischen Agenda der Neocons war, um Scholz und Deutschland im nahenden Winter angesichts der abgeschalteten Pipelines daran zu hindern, kalte Füße zu bekommen und sie aufzudrehen. Die Befürchtung im Weißen Haus war nur, dass Putin Deutschland unter Kontrolle bekommen könnte und dann Polen bekäme. Der [US-]Präsident versetzte also der Wirtschaft Deutschlands und Westeuropas einen Schlag."

286 Milliarden Dollar seien laut Hersh im vergangenen Winter als Subventionen von der deutschen Regierung aufgewandt worden, um Unternehmen und Bevölkerung vor allzu hohen Energiekosten zu bewahren.

Seitdem seien die Ermittlungen in allen Anliegerländern im Sande verlaufen, während die Vereinigten Staaten von Amerika selbst keinerlei Interesse an Aufklärung zeigten. Denn bisher sei nicht einmal eine offizielle Abfrage des bei den Nachrichtendiensten vorhandenen Wissens erfolgt, die der US-Präsident damit beauftragen könnte.

Die Täuschung, die der CIA-Mitarbeiter schildert, den Hersh zitiert, erklärt auch, wie dieser überhaupt an diese Informationen gelangt war:

"Das alles erklärt, warum mich eine Routinefrage, die ich etwa einen Monat nach den Sprengungen jemandem stellte, der seit vielen Jahren amerikanischen Geheimdienstkreisen angehört, zu einer Wahrheit führte, die niemand in Amerika oder Deutschland zu suchen scheint. Meine Frage war schlicht: 'Wer war es?'"

Das ausschlaggebende Motiv sei die "ultimative Furcht" gewesen: "dass Amerika seine langjährige Vorherrschaft in Westeuropa verliert."

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