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Zerstörter Challenger-2-Panzer: Für London ein Schock und das Ende einer Illusion

Für Londons militärische Führung wurde die Zerstörung von Panzern des Typs Challenger 2, die sie an Kiew übergab, ein Schock – so sehr, dass Generalstabsleiter Sanders dies vor laufender Kamera zugab. Warum dies so ist, erfragte RT bei zwei Militärexperten.
Zerstörter Challenger-2-Panzer: Für London ein Schock und das Ende einer IllusionQuelle: Sputnik © Pawel Bednjakow

Von Alexander Karpow und Aljona Medwedewa

Illusion im Kampf gegen die Realität – auf verlorenem Posten

Patrick Sanders, Leiter des britischen Generalstabs, gab zu, intensive Emotionen erfahren zu haben, als er von der Zerstörung eines britischen Panzers des Typs Challenger 2 im Gebiet der militärischen Sonderoperation Russlands erfuhr: 

"Das hat empfindlich an meinen Emotionsfäden gezogen – weil ich wahrscheinlich mal auf diesem Panzer gewesen bin. Wir haben ja eine tiefe emotionale Bindung zu Fahrzeugen und anderem Gerät, mit dem wir in den letzten Jahren in den Kampf zogen. Aber ich bin mir auch darüber im Klaren, dass das eben im Krieg passiert."

Sanders fügte im Gespräch mit Journalisten des militärischen Nachrichten- und Informationsportals forces.net hinzu, dass sein Land auf das der Ukraine übergebene Gerät stolz sein könne:

"Der Challenger ist in vielerlei Hinsicht einer der fortgeschrittensten Panzer und zweifelsohne der bestgeschützte."

Sanders zufolge habe die Besatzung des Panzers diesen nämlich nach dem zerstörerischen Treffer verlassen können. Dieser Aussage stehen Bilder gegenüber, die den Eindruck erwecken, dass der zur Seite gedrehte Turm dieser Maschine nicht mehr ordnungsgemäß zentriert auf dem Drehlager aufliegt: Die von der Turmseite sichtbare vordere Turmkante liegt, so scheint es, weiter abseits vom Zentrum der Wanne als es normalerweise der Fall ist. Es müsste, sofern dieser Eindruck nicht täuscht, somit infolge von russischem Beschuss eine Detonation oder Deflagration der für das Panzergeschütz mitgeführten Granaten oder ihrer Treibladungen gegeben haben. 

Ob diese sich aber sofort nach dem Einschlag des russischen Geschosses ereignete oder erst später durch den Brand im Fahrzeuginneren ausgelöst wurde, sodass die Besatzung in der Tat noch hätte fliehen können, ist nicht klar.

Bekannt wurde die Neutralisierung eines Panzers des Typs Challenger 2 in der Zone der Sonderoperation am fünften September. Bilder des qualmenden Kampfwagens tauchten im ukrainischen Segment der sozialen Netzwerke auf; dann vermeldeten dies The GuardianSky News und weitere britische Medien.

Verloren wurde der Panzer nach ihren Angaben bei der Siedlung Rabotino am Frontabschnitt Saporoschje, wo über die letzten Monate heftige Gefechte toben. The Guardian betonte: Dieser Challenger 2 ist der erste seit Beginn der Kampfeinsätze dieser Fahrzeuge im Jahre 1994, der im Kampf zerstört wurde.

Bemerkenswerterweise tauchte am Tage des Interviews des britischen Generalstabschefs an forces.net die Information über die Zerstörung eines weiteren Challenger 2 auf. Der amtierende Gouverneur des russischen Gebiets Saporoschje Jewgeni Balizki und Wladimir Rogow, Mitglied des Hauptrates der dortigen russischen zivil-militärischen Gebietsverwaltung, gaben den erfolgreichen Abschuss dieser Kampfmaschine mit einem Lenkflugkörper des portablen Panzerabwehrsystems Kornet bekannt. Rogow schrieb in seinem Telegram-Kanal:

"Vorläufigen Daten zufolge vollbrachten dies unsere ruhmreichen Kämpfer des 104. Regiments der 76. Tschernigower Suworow-Orden und Rotbanner-Luftlande-Sturmdivision. Insgesamt verbleiben den Nazis zwölf Panzer dieses Modells."

Kornet knackt alle modernen westlichen Panzer

Zuvor hielten Analysten des US-amerikanischen Military Watch, eines militärisch-politischen Magazins, gleich im etwas länglichen Titel eines Leitartikels trocken fest:   

"Russlands Lenkflugkörper Kornet hat nun alle wichtigsten Panzer des Westblocks geknackt: Vernichtung des Challenger 2 folgt auf die von Abrams, Leopard 2 und Merkava IV."

Verweisend auf Videomaterial, das den Einschlag eines Lenkflugkörpers in die Maschine und dessen Rauchspur zeigt, betonen die Autoren, die Zerstörung des Challenger 2 sei eben mitnichten ein Werk der russischen Artillerie oder einer Lanzet-Drohne, wie viele Quellen behaupteten.

Mehr noch: Auch die deutlich schwereren neuen Lenkflugkörper Wichr-1 mit noch besserer panzerbrechender Leistung, die von Hubschraubern aus abgefeuert werden, schlossen die Analysten ebenso aus.

Challenger 2 sind die am schwersten gepanzerten Kampffahrzeuge im Westen, so Military Watch. Damit sei bedeutende Besorgnis unter den NATO-Mitgliedern zu erwarten, weil die Challenger 2 unmittelbar aus aktiven britischen Militärbeständen an Kiew übergeben worden seien – ohne dass wichtige Panzerschutzkomponenten zuvor demontiert worden seien wie dies für die Abrams-Panzer aus US-Produktion, die ebenfalls an Kiew gingen oder gehen werden, der Fall sei.

London übergab dem Kiewer Regime Anfang 2023 14 Kampfpanzerwagen des Typs Challenger 2. Bis vor Kurzem war von ihnen an der Frontlinie nichts zu sehen – doch im August musste das ukrainische Kommando die 82. Luftlande-Sturmbrigade bei Rabotino in den Kampf schicken, die zuvor als Reserve zurückgehalten wurde und zu deren Fahrzeugpark ebendiese Panzer gehören.

Daten der Guardian besagen, dass Großbritannien nach Übergabe besagter 14 Challenger 2 an Kiew noch über 213 dieser Maschinen verfüge – wobei allerdings noch im März 2023 dem britischen Parlament mitgeteilt wurde, dass nur 157 davon im britischen Arsenal noch betriebsfähig seien. Und so teilte der neue britische Verteidigungsminister Grant Shapps bereits mit, dass London keine weiteren Challenger 2 als Ersatz für verlorene mehr an Kiew zu schicken gewillt sei.

Kiew forderte vom Westen im Jahresverlauf 2023 mehrfach und lautstark die Lieferung auch westlicher Hauptkampfpanzer, nachdem das noch in westlichen Arsenalen verbleibende Vermächtnis aus Panzern des Warschauer Paktes bereits durch Militärhilfen an die Ukraine weitestgehend ausgeschöpft wurde. Diese sollten, so hieß es, den Erfolg von Kiews Offensive in Saporoschje und der kleineren Offensiven zur Bindung oder Ablenkung an anderen Frontabschnitten sichern. Am vierten Juni warf Kiew Brigaden in den Kampf, die unter anderem mit westlichen Kampffahrzeugen ausgerüstet und in den NATO-Staaten ausgebildet worden waren. Nichtsdestoweniger konnten Russlands Streitkräfte nicht nur dem Andrang standhalten, sondern riesige Massen an ukrainischem Militärpersonal neutralisieren – nebst einem großen Park an Fahrzeugen, darunter eben auch westliche.

Verluste Kiews in drei Monaten belaufen sich auf 66.000 Mann an Toten, Verwundeten, Verschollenen und Gefangengenommenen – sowie auf etwa 7.600 Stück Kampffahrzeuge und Waffensysteme. Russlands Verteidigungsminister meldete dies am fünften September 2023. Zuvor wurde mehrfach die Neutralisierung deutscher Leopard-Panzer I und II gemeldet, US-amerikanischer Schützenpanzer des Typs M2 Bradley, französischer leichter Radpanzer AMX-10RCR, schwedischer Schützenpanzer CV90 und anderer Typen westlicher Panzerfahrzeuge und Artillerie. Mehrere Vertreter westlicher Arsenale wurden zudem erbeutet.

Dennoch verzichten Staaten des kollektiven Westens nicht auf weitere Lieferungen von Kriegsgerät an Kiew, einschließlich Panzer. So äußerte Dänemarks Verteidigungsministerium, zehn Panzer des Typs Leopard I seien "bereits auf ukrainischem Staatsgebiet – und noch mehr dorthin unterwegs". Washingtons Vertreter sprechen derweil vom geplanten Erhalt von Abrams-Panzern durch Kiew noch in diesem Herbst.

Sehr britische Exzentrizität im fehlerhaften NATO-Konzept: Was den Challenger 2 im Kampf mit ebenbürtigen Gegnern behindert

Für die britischen Militärs kam die Zerstörung der Challenger 2 auf dem Schlachtfeld überraschend – ist dies doch der erste solche Fall seit dem Jahr 2003, als während des zweiten Golfkriegs die Besatzung eines Challenger 2 aus Versehen auf einen anderen das Feuer eröffnete. Wladimir Prochwatilow, Experte bei der russischen Denkfabrik Akademie für Militärwissenschaften, kommentierte im Gespräch mit RT:

"Der erste Fall war ja im Irak-Krieg, als einer dieser Panzer infolge von Eigenbeschuss angeschossen wurde. Doch das in der Ukraine ist der erste Fall in deren Geschichte, dass ein Challenger 2 durch den Gegner vernichtet wurde. Darum ist ihnen das unangenehm. Es hat sich herausgestellt, dass diese Panzer leicht verletzlich sind, außer wenn sie in befestigter Stellung stehen, von der Feuerkraft des Gegners weit entfernt."

Auch erinnert der Militärexperte, dass die Briten dabei waren, konsequent ihren Panzerfuhrpark stückweise abzuschaffen – in der Erwartung, ihre Truppen würden niemals wieder in einem großen Gefecht verbundener Waffen kämpfen:

"Das ist ja auch klar: Wer wird denn auch den Ärmelkanal überqueren wollen, um sie anzugreifen? Außerdem stecken Großbritanniens Wirtschaft im Ganzen und seine Industrie insbesondere heute in einer tiefen Krise, und keinerlei Chancen bestehen auf einen Wiederaufbau der alten Kampfkraft der britischen Armee. Pentagons höchste Ränge sehen es gar so, dass die britische Armee gänzlich aus der Tabelle der führenden Landstreitkräfte ausgeschieden sei und keine ernst zu nehmende militärische Macht darstelle."

Kiews Entscheidung derweil, die Challenger 2 nun unmittelbar in den vordersten Linien an der Front einzusetzen, könnte davon zeugen, dass seine Reserven sich dem Ende neigen, so der Militärexperte. Denn so gut der Panzerschutz auch ist – anderweitig seien bei der Maschine sehr exzentrische Schwerpunkte gesetzt worden:

"Diese Challenger sind keine gewöhnlichen Panzer. So haben sie ein Hauptgeschütz mit gezogenem Lauf – im Unterschied zu den normalen modernen Panzern mit Glattrohrkanonen. Das macht das Geschütz sehr präzise. Dies aber gilt nur dann, wenn der Panzer aus dem Stand feuert, ohne sich zu bewegen: Bei Erprobungen im Rahmen der griechischen Ausschreibung stellte sich heraus, dass er praktisch unfähig ist, sein Ziel aus der Bewegung zu treffen. Bisher nutzten die ukrainischen Streitkräfte die Challenger 2 als Selbstfahrlafetten für Fernfeuer von geschlossenen Stellungen aus. Im offenen Kampf konnte er aber weder für seine eigene Sicherheit sorgen, noch aus der Bewegung Ziele treffen. Das ist es dann auch schon. Und so wird es weitergehen."

Juri Knutow, Militärexperte, Historiker und Direktor des russischen Museums der Luftverteidigungskräfte in Balaschicha bei Moskau, stellt nüchtern fest: Britische Streitkräfte, insbesondere deren Panzertruppen, nahmen schon sehr lange nicht an Kriegshandlungen größeren Maßstabs teil. Deswegen konnte General Sanders seinen Glauben in die Unverwundbarkeit des Challenger 2 überhaupt erst entwickeln – und war schockiert, faktenbedingt von diesem falschen Glauben abfallen zu müssen:

"Die Engländer haben vergessen, dass ihre Panzerfahrzeuge seit der Invasion in den Irak keine ernst zu nehmenden Gefechte kannten – und auch dort spielte Großbritannien nur eine zweitrangige Rolle, und seine Verbände kämpften nicht in Panzerschlachten mit. Damals wurde des Iraks Armee von der Luftwaffe zerschlagen – Panzer haben da gar nicht erst irgendetwas zu tun gehabt. Challenger 2 waren auch in Jugoslawien präsent – aber dort spielten diese Fahrzeuge ebenfalls nur Zweitrollen. Deswegen entwickelten die Briten die Illusion, damit einen unverwundbaren Panzer zu haben, den niemand vernichten kann."

Erst in der Zone der militärischen Sonderoperation Russlands wurden Challenger 2 in der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen zwei großen Landstreitkräften erprobt – und klar wurde dann, dass dieser Panzer genauso außer Gefecht gesetzt werden kann wie jeder andere auch, so Knutow. Der pensionierte Oberst weiter:

"Natürlich hat das den Generalstabsleiter Großbritanniens dermaßen schockiert, dass er es vor laufender Kamera zugab, ohne es zu verbergen. Kapazitäten der russischen Panzerabwehr-Lenkraketen, mit jedem Panzer fertigzuwerden, und dass der Challenger 2 für sie kein schweres Ziel darstellt – das sollte für ihn eine Schockerfahrung werden."

Zuvor, so erinnert der Militärexperte, hatte das britische Verteidigungsministerium geplant, seinen ohnehin nicht sehr großen Panzerfuhrpark noch weiter zusammenzustreichen – weil Panzer, so dachte man, in den lokalen Konflikten des 21. Jahrhunderts unnütz sein würden. Gegenteiliges zeigte allerdings die Lage in der Ukraine – und führte die Verwundbarkeit der Kampffahrzeuge aus Produktion der NATO-Staaten vor. Der Geschichtswissenschaftler nennt die prominentesten Beispiele:

"Sehr aktiv brennen deutsche Leopard-Panzer und US-Schützenpanzer Typ Bradley. Jetzt, als Kiew die 82. Luftlande-Sturmbrigade aus der Reserve in den Kampf warf, wurden auch zwei Panzer des Typs Challenger 2 außer Gefecht gesetzt. Konzepte, die die NATO im Kalten Krieg entwarf, für den dort diese Fahrzeuge gefertigt wurden, entpuppten sich als fehlerhaft: Diese Panzer zu 70 Tonnen das Stück bleiben einfach im unbefestigten Boden stecken, und ihre viel umworbene Verbundpanzerung schützt nicht vor russischen Raketen."

Mehr noch, Russlands Streitkräfte legen besonderes Augenmerk auf die Bekämpfung von NATO-Kriegsgerät, darunter eben Panzer. Als die Information auftauchte, NATO-Kampffahrzeuge würden sich in Kiews Arsenal wiederfinden, wurden Einheiten eigens für deren Bekämpfung ins Leben gerufen, erinnert Knutow – und resümiert:

"Wie wir sehen, verlief die Ausbildung unserer Soldaten erfolgreich. Und so brennen denn heute die Panzer Challenger ebenso auf dem Schlachtfeld wie Leopard – und in der nächsten Zukunft werden US-Panzer Typ Abrams genauso brennen."

Übersetzt aus dem Russischen.

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