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"Durchbruch bei Rabotino": Westen feiert einen Sieg der Ukraine

Berichten westlicher Medien zufolge erzielten ukrainische Truppen Erfolge bei Rabotino. Die angebliche Einnahme eines Dorfes, in dem zu Friedenszeiten 500 Einwohner lebten, wird als Durchbruch gefeiert. An die Versprechen ukrainischer Politiker, den Sommer 2023 auf der Krim zu verbringen, erinnert sich kaum noch jemand.
"Durchbruch bei Rabotino": Westen feiert einen Sieg der UkraineQuelle: Sputnik © Dawid Narmanija

Von Wladimir Kornilow

Die ukrainische "Sommeroffensive", die zuvor eine "Frühjahrsoffensive" war, hat sich allmählich in eine "Herbstoffensive" verwandelt. Um ihren "Erfolg" zu beurteilen, reicht es, sich an die in Washington und Kiew erklärten Ziele zu erinnern.

So hatte etwa Wladimir Selenskij die Absicht verkündet, seinen Sommerurlaub im Jahr 2023 auf der Krim verbringen zu wollen. Und der sprechende Kopf aller westlichen Fernsehkanäle, der pensionierte US-General Ben Hodges, der Tag und Nacht die Frontlage kommentiert, wiederholte bis zum Frühling dieses Jahres, dass die Krim bis Ende des Sommers 2023 "befreit" sei. Nun ist der Sommer zu Ende, und die westlichen Medien verkünden großspurig: "Erfolge der Ukraine an der Südfront könnten den Weg auf die Krim eröffnen." Aus dem Sommerurlaub wurde offensichtlich nichts.

Am amüsantesten ist es zu beobachten, wie zornig die gleichen sprechenden Köpfe jetzt diejenigen angreifen, die unbequeme Fragen über den Verbleib der versprochenen Siege stellen. Jüngst warf der Berater des ukrainischen Präsidialamts, Michail Podoljak, diesen Kritikern "Infantilismus" vor und empfahl ihnen, "weniger 'Rambo' zu schauen". Als wäre es nicht Podoljak selbst, der am 28. November 2022 der ganzen Ukraine persönlich versprochen hatte, "in sechs Monaten an seinem Lieblingsplatz an der Strandpromenade von Jalta" zu stehen. Er fügte sogar die Aussage "ich garantiere" hinzu. Nun beschimpft er jene als infantil, die ihn an seine eigenen "Garantien" erinnern!

Für das westliche Publikum spielte der ehemalige CIA-Chef David Petraeus eine ähnliche Rolle. Heute ruft er Kommentatoren dazu auf, "den Pessimismus zu zügeln" und wundert sich über ihre Erwartungen schneller Siege. Als hätte nicht Petraeus selbst einen Tag vor dem Beginn der sogenannten ukrainischen Gegenoffensive dem westlichen Publikum eingeredet, dass sich alles "binnen 72 bis 96 Stunden" entscheiden werde. Das heißt, dass die gleichen Personen, die bei Ukrainern und westlichen Bürgern die surrealen Erwartungen eines "baldigen Sieges über Russland" hervorriefen, ihrem Publikum nun das Vorhandensein ebendieser Erwartungen vorwerfen!

Die gleichen Experten erfinden bisweilen auch aktuelle "Siege". Zurzeit sind alle westlichen Medien voll mit Beiträgen über die "Befreiung des strategisch wichtigen Dorfs Rabotino", das schon zu Friedenszeiten in seinen besten Jahren nie mehr als 500 Bewohner hatte. Der berufsmäßige Provokateur der Zeitung The Times,Maxim Tucker, schreibt freudig: "Die ukrainische Flagge weht wieder über Rabotino." Und berichtet im selben Atemzug, dass dies den Weg nach Melitopol freimache. Am kuriosesten ist, dass derselbe Autor in derselben Zeitung buchstäblich einen Monat zuvor in gleichen Ausdrücken berichtete, dass die Ukraine das Dorf Staromajorskoje "befreit" habe und dies angeblich "den Weg nach Mariupol" freimache. Und keiner der Zeitungsleser wunderte sich, wie es denn nun um das Vorrücken nach Mariupol stehe.

Ein weiterer proukrainischer Propagandist, der französische Maidan-Bewunderer Bernard-Henri Lévy, stellt sich als Kenner der Gegend dar, weil er – stellen Sie es sich nur vor! – einmal die Stadt Guljajpole besuchte. Nun berichtet er seinem Publikum: "Die Befreiung von Rabotino" bedeute, dass "a) die Ukrainer die russischen Minenfelder überwunden haben, b) der Weg nach Melitopol offen ist." Dabei spielt scheinbar keine Rolle, dass die Entfernung zwischen Rabotino und Melitopol über 70 Kilometer beträgt, und dass die Ukraine nicht einmal eine Idee hat, wie sie sich zum befestigten Tokmak durchschlagen soll. Diese Stadt liegt nur 20 Kilometer von der Front entfernt und vor ihr liegen dem Geständnis eines weiteren russophoben Propagandisten, Julian Röpcke von der Bild, zufolge "fünf weitere Verteidigungslinien". Doch im Gegensatz zu Lévy war Röpcke ja nicht in Guljajpole, woher soll er schon die Wahrheit kennen!

Verzichten wir auf eine Einzelbetrachtung der Frontlage und überlassen wir die Frage, welche Straßen von Rabotino von wem kontrolliert werden, den Autoren täglicher Frontberichte. Doch selbst unter der Annahme, dass die westliche Propaganda nicht lügt – was an sich schon lächerlich ist –, genügt es, sich zu erinnern, was sie über die russischen Verteidigungslinien zu Beginn der ukrainischen Frühling-Sommer-Herbst-Offensive geschrieben hatte.

Man erinnere sich daran, wie im Juni in allen westlichen Medien ausführliche Satellitenaufnahmen russischer Befestigungen in dieser Gegend zu sehen waren. Diese Bilder wurden unter anderem von der Zeitung The New York Times veröffentlicht. Warum werfen nun all jene, die rufen, dass das ukrainische Militär die russischen Minenfelder, "die Drachenzähne" überwunden und "die erste, also wichtigste Verteidigungslinie der Russen" durchbrochen habe, nicht einen Blick darauf? Offensichtlich weil auf diesen Bildern zu sehen ist, dass sich die erste der drei wichtigsten Verteidigungslinien vor Tokmak nicht nur südlich von Rabotino befindet, sondern sogar südlich von Nowoprokopowka, wohin es das ukrainische Militär selbst nach Aussagen westlicher Propagandisten nicht einmal ansatzweise schaffte.

Dabei sollte man nicht vergessen, dass während der zwei Monate nach der Veröffentlichung dieser Aufnahmen die russischen Ingenieursverbände die Verteidigungslinien südlich der jetzigen Kampfzone weiterhin ausgebaut und befestigt haben, was auch die westlichen Propagandisten einräumen. Folglich ist die Ukraine, die Tausende ihrer besten Kämpfer und Hunderte westlicher Kriegsmaschinen bereits im Kampf um ein kleines Dorf verloren hat, der von den russischen Streitkräften weiter südlich vorbereiteten Stärke an Verteidigung noch nicht einmal begegnet!

Doch wie der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij in seinem jüngsten Interview sagte: "Die Gesellschaft braucht Siege." Und bei fehlenden Siegen werden eben welche erfunden.

Damit meinte Selenskij wahrscheinlich nicht einmal die ukrainische Gesellschaft. Kiew versteht und räumt seit Langem ein, dass die größte Bedrohung für die Ukraine in der Ermüdung der westlichen Staaten vom Krieg und den ständigen Misserfolgen des ukrainischen Militärs liegt. Der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba betonte wiederum, dass der beginnende Wahlkampf in den USA die größten Gefahren für das Kiewer Regime birgt. Zugleich versicherte er, dass auch das "vorbeigehen" werde.

Sicher wird es "vorbeigehen", doch bis zum Ende der US-amerikanischen Wahlen bleibt noch mehr als ein Jahr. Und während dieser gesamten Zeit wird es immer schwieriger, den eigenen Sponsoren Versprechungen eines "baldigen Sieges" beim Fehlen selbst kleiner Erfolge aufzutischen. Deswegen erscheinen in den Meldungen mit beneidenswerter Häufigkeit für das westliche Ohr ungewohnte Namen wie Staromajorskoje oder Rabotino. Sie werden auch in Zukunft erscheinen. Die lästigen "infantilen" Westbürger sollen bloß keine unbequemen Fragen stellen und nicht versuchen, die Autoren der Siegesmeldungen an ihre eigenen Worte von vor einem Monat zu erinnern.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.

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