Deutschland

Koalition einigt sich auf Bundespolizeigesetz – Faeser liefert verfassungsrechtlich Bedenkliches

Dass die Bundespolizei jetzt Drohnen einsetzen darf, und dass sie nicht mehr diskriminieren soll, wird überall berichtet. Doch der Entwurf, dem das Kabinett zugestimmt hat, ist ein rechtlich höchst zweifelhaftes Dokument, das in vielerlei Hinsicht Grenzen überschreitet.
Koalition einigt sich auf Bundespolizeigesetz – Faeser liefert verfassungsrechtlich BedenklichesQuelle: www.globallookpress.com © Uli Deck

Auf der Internetseite des Bundesministeriums des Innern findet sich der Entwurf für ein neues Bundespolizeigesetz, über den sich das Kabinett heute geeinigt hat. Es ist ein Text, den möglichst viele genau lesen sollten, vor allem im Vergleich mit der alten Version. Denn er enthält einige wirklich gravierende Änderungen.

Als Erstes sticht ins Auge, dass das neue Gesetz wesentlich umfangreicher ist als das alte – 107 statt bisher 70 Paragrafen. Das deutet bereits an, dass die Änderungen mehr als oberflächlich sind.

Das, was in der Berichterstattung zu dieser Einigung hervorgehoben wurde, etwa die Kennzeichnungspflicht für Bundespolizisten, findet sich auch. Diese Informationen entstammen weitgehend der vom Ministerium verfassten Presseerklärung. Weitaus interessanter sind all die Änderungen, die sich nicht in dieser Erklärung finden.

Der erste Punkt ist eine Aufhebung der Begrenzung von Datenweitergaben auf öffentliche, vorwiegend inländische Stellen. Das neue Gesetz sieht nicht nur vor, personenbezogene Daten auch bei "zwischen- und überstaatlichen Stellen, die mit der Verfolgung und Verhütung von Straftaten befasst sind", zu erheben, sondern auch bei "sonstigen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen im Ausland". Der Begriff "nichtöffentliche Stelle" ist absolut offen; das könnten Kreditauskunfteien ebenso sein wie Unternehmen, die soziale Medien betreiben.

Die Aufhebung der klaren Trennung zwischen öffentlich/hoheitlich und nichtöffentlich/privat fand sich schon im "Denunziationsgesetz" aus dem Hause Faeser. Das Bundespolizeigesetz geht allerdings noch wesentlich weiter, da der Datenverkehr in zwei Richtungen gedacht ist: Die deutsche Bundespolizei kann auch ihre Daten an nichtöffentliche Stellen in anderen Ländern weiterreichen, sofern diese der EU angehören oder mit der EU ein Assoziierungsabkommen geschlossen haben.

Die Verwischung der Grenze zwischen Inland und Ausland findet sich auch bei den Einsätzen der Bundespolizei. Während die alte Fassung zwar bereits Einsätze im Ausland vorsah, diese aber auf Fälle begrenzte, die völkerrechtlich geregelt sind, und vor allem von der Zustimmung des anderen Staates abhängig machte, entfällt diese Zustimmung in der neuen Version, und auch völkerrechtliche Verträge sind verzichtbar, sofern es ein "Unionsrecht" gibt, sprich, etwa eine EU-Verordnung, die das erlaubt.

"Die Bundespolizei kann zur Mitwirkung beim Schutz deutscher Einrichtungen und Mannschaften bei internationalen Sportveranstaltungen im Ausland tätig werden. Die Entscheidung trifft das Bundesministerium des Innern und für Heimat."

Ohne Zustimmung des anderen Staates. Ebenso dürfen andere in Deutschland tätig werden:

"Ausländische Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamte, Angehörige von EU-Agenturen oder sonstige staatliche Bedienstete anderer Staaten mit polizeilichen Aufgaben können im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei tätig werden, soweit

1. völkerrechtliche Vereinbarungen oder geltendes Unionsrecht dies vorsehen oder

2. das Bundesministerium des Innern und für Heimat diesen Amtshandlungen allgemein

oder im Einzelfall zustimmt."

Auch die Deutschen können sich also nicht darauf verlassen, dass die Polizei, mit der sie es zu tun haben, deutsche Polizei ist. Und wer glaubt, die Bundespolizei sei nur für Grenzsicherung zuständig, soll ihren Aufgabenbereich noch einmal lesen. Die Bundesregierung ist übrigens so nett, auch die Haftung für diese auf "geltendem Unionsrecht" beruhenden Fremdeinsätze zu übernehmen.

Wobei diese Aufweichung zwischen Innen und Außen ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass sich das zuständige Unionsrecht demnächst ebenfalls in Richtung erweiterter Kompetenzen ändern dürfte.

Besonders weit, nämlich direkt in einen Verstoß gegen das geltende Völkerrecht, geht die Regelung in § 99 des Entwurfs:

"Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei dürfen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und nach Maßgabe des § 5 an Bord ausländischer Luftfahrzeuge tätig werden, soweit

1. völkerrechtliche Vereinbarungen oder geltendes Unionsrecht dies vorsehen oder

2. das Bundesministerium des Innern und für Heimat im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen des anderen Staates einer Tätigkeit von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei im Ausland allgemein oder im Einzelfall zustimmt."

Wenn also ein entsprechendes Unionsrecht vorliegt, dann können Bundespolizisten an Bord eines ausländischen Flugzeugs (das nach internationalem Recht exterritorial ist, sprich, Gebiet ebendieses anderen Landes darstellt) "tätig werden". Entscheidend ist hier das Wörtchen "oder" zwischen den völkerrechtlichen Vereinbarungen und dem geltenden Unionsrecht.

Die Kennzeichnungspflicht, die so hervorgehoben wird, wie auch die Anforderung, eine Bescheinigung über eine Durchsuchung auszustellen, verblassen angesichts der Erweiterungen der Datenerfassungsmöglichkeiten. Dort, wo nach dem alten Recht nur die personenbezogenen Daten einer verdächtigen Person erfasst werden dürfen, oder Mitwirkende unter relativ strengen Kriterien, wird das inzwischen auf Unbeteiligte ausgeweitet:

"... die Person mit einer in Nummer 1 genannten Person nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt in Verbindung steht und

a) von der Vorbereitung einer Straftat im Sinne von Nummer 1 Kenntnis hat,

b) aus der Verwertung der Tat Vorteile ziehen könnte oder

c) die in Nummer 1 genannte Person sich ihrer zur Begehung der Straftat bedienen könnte

und die Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre."

Man achte auf die Vermutung, "Vorteile ziehen könnte" und "sich ihrer bedienen könnte". Diese deutliche Ausweitung des betroffenen Personenkreises wiederholt sich im Entwurf in mehreren Zusammenhängen, beispielsweise auch bei der Lokalisierung von Handys, die der Bundespolizei von den Netzbetreibern ermöglicht werden muss:

"... 4. wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von dieser herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt, oder

5. wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person nach Nummer 1 [die tatsächlich einer Straftat verdächtige Person] deren Telekommunikationsanschluss oder Endgerät benutzen wird."

Sprich, auf die Annahme hin, dass ein Verdächtiger ein Telefon nutzen könnte, wird der Aufenthalt einer völlig unbeteiligten und keiner Straftat verdächtigen Person über eine Verfolgung der Handylokalisierung aufgezeichnet, bis zu drei Monate lang.

Im Entwurf findet sich auch eine erste Anwendung der Änderung des Passgesetzes, die im September vollzogen wurde. Personen, denen der Pass verweigert oder entzogen wurde, können zur Grenzfahndung ausgeschrieben und dann von der Bundespolizei festgenommen werden, um eine Ausreise zu verhindern.

Wie gravierend diese Änderung tatsächlich ist, erschließt sich, wenn man betrachtet, wie die Formulierung für die Grenzfahndung zur Einreiseverweigerung oder Ausreiseuntersagung bisher lautete: "aufgrund ausländerrechtlicher Rechtsvorschriften". In der neuen Version heißt es nur noch, "sofern diese Maßnahmen aufgrund von Rechtsvorschriften zulässig sind." Das bedeutet, dass die Bundespolizei künftig deutsche Staatsbürger an der Ein- oder Ausreise hindern darf.

Ein paar kleine Bosheiten gegen die eigenen Beschäftigten sind auch enthalten. Bundespolizisten sollen ihre DNA abgeben, um "Trugspuren" zu verhindern, und sie werden einer "einfachen Sicherheitsüberprüfung" unterzogen. Was diese umfasst, definiert § 12 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes. Das geht über die altbekannte Regelabfrage beim Verfassungsschutz hinaus, umfasst aber zumindest bislang nicht die Lebenspartner, wie bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung. Das Ziel ist jedenfalls die "Gewähr, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten". Und wie wenig Spielraum diese Formulierung noch bietet, war in den vergangenen Jahren zu sehen.

Was die Bundespolizisten ebenfalls nicht unbedingt glücklich machen wird, ist, dass sie im Nebenberuf jetzt zu Gerichtsvollziehern werden. Unter anderem steht im neuen § 70:

"Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann die Bundespolizei durch Pfändung auch eine Forderung sowie sonstige Vermögensrechte sicherstellen. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte sind sinngemäß anzuwenden."

Dafür werden "Straftäterinnen und Straftäter" brav gegendert, und obwohl nach wie vor im Gesetz steht, dass im Gewahrsam Männer und Frauen getrennt untergebracht werden sollen, steht dort auch:

"Bei trans- und intergeschlechtlichen Personen sowie nichtbinären Personen soll der geäußerte Wille bezüglich der Unterbringung berücksichtigt werden."

Der größte und ernsthafteste Bruch findet sich aber in der Einführung einer neuen Kategorie neben dem verdeckten Ermittler, den es bereits in der alten Fassung gab: die sogenannte "Vertrauensperson". Also Dritte, die mit oder ohne Entgelt zuarbeiten, aber in keinem Dienstverhältnis stehen und dementsprechend auch nicht den gesetzlichen Restriktionen unterliegen, die für Polizisten gelten.

Das ist ein extremer Schritt. Die Bundespolizei hat beispielsweise zwar auch bisher schon dem Verfassungsschutz bei der Aufnahme von Demonstrationen zugearbeitet und Ähnliches, aber das war immer eine begrenzte Auftragstätigkeit mit noch relativ klaren Regeln, die vorwiegend technische Gründe hatte.

Die "Vertrauensperson" gehört nun, nach allen Charakteristika, nicht in den Bereich polizeilicher, sondern in den nachrichtendienstlicher Tätigkeit. Dabei ist es beispielsweise auch zulässig, zum Schutz einer derartigen "Vertrauensperson" Wohnungen abzuhören, ohne die Betroffenen im Nachhinein darüber informieren zu müssen.

Die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendienst war eine der rechtlichen Konsequenzen aus dem Hitlerfaschismus. Das Faeser-Ministerium hebt sie auf. Von all den vielfältigen Grenzüberschreitungen, die dieser Entwurf bietet, ist das die schwerwiegendste.

Diese Darstellung ist mit Sicherheit nicht vollständig; das kann sie bei einem einmaligen Abgleich der beiden Versionen gar nicht sein. Es ist ein erster Eindruck. Und eine dringende Aufforderung, Erzeugnisse des Hauses Faeser stets genauestens zu prüfen.

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