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Nach Fall von Awdejewka: Ukrainer befürchten Durchmarsch Russlands bis zum Dnjepr

Russlands Truppen haben der ukrainischen Armee in der heftig umkämpften Donezker Vorstadt Awdejewka eine bittere Niederlage zugefügt. Damit könnten sie die Ukrainer zunächst weiter von Donezk wegdrängen und im weiteren Kriegsverlauf sogar bis zum Fluss Dnjepr vor sich hertreiben.
Nach Fall von Awdejewka: Ukrainer befürchten Durchmarsch Russlands bis zum DnjeprQuelle: Sputnik © Taisia Woronzowa

Von Alex Männer

Die seit mehreren Wochen andauernden Kämpfe um die wenige Kilometer westlich von Donezk gelegene Kleinstadt Awdejewka sind entschieden. Russischen Medien zufolge verlor die Ukraine dort allein in den vergangenen Tagen mehr als 1.500 Soldaten. Die wenigen verbliebenen Einheiten der ukrainischen Garnison haben sich offenbar zurückziehen können.

Damit endet auch das letzte Kapitel der am stärksten ausgebauten "Festung" der Ukraine, die seit den Kampfhandlungen zwischen der Donezker Volksmiliz und den Truppen der Kiewer Zentralmacht im Jahr 2014 als uneinnehmbar galt.

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat den Rückzug der Ukrainer aus der Donezker Vorstadt in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz bestätigt. Er nannte die Entscheidung des neuen Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Alexander Syrski, "sehr logisch, gerecht und fachkundig". Damit rette man viele Menschenleben und entgehe zudem einer Einkreisung durch den Gegner, sagte Selenskij. Er fügte hinzu: "Die Ukraine kann siegen. Unsere Handlungen werden nur durch die Reichweite und die Zahl der Waffen beschränkt. Aber dies hängt nicht nur von uns ab. Die Situation in Awdejewka bestätigt dies."

Unabhängig davon, was die Kiewer Führung diesbezüglich erklärt, haben ihre Truppen eine bittere Niederlage in Awdejewka erfahren – was für den weiteren Kriegsverlauf erhebliche Folgen haben dürfte. Es ist nun davon auszugehen, dass die Russen nach der Einnahme dieses strategischen Punktes an der Frontlinie die ukrainische Armee zunächst weiter von der regionalen Hauptstadt Donezk wegdrängen und sie im weiteren Verlauf bis zum Fluss Dnjepr vor sich hertreiben werden.

Dies befürchten immer mehr politische Akteure und andere Beobachter in der Ukraine. So schrieb etwa der ehemalige ukrainische Parlamentsabgeordnete Igor Luzenko diesbezüglich auf Facebook, dass Russland ein solides Tempo bei seiner Offensive angeschlagen habe und dass es nach der Einnahme von Awdejewka weiter voranpreschen könnte. Er konstatiert: "Davor gab es Marjinka. Vor Marjinka – Artjomowsk. Vor Artjomowsk – Lissitschansk-Nord. Erkennen Sie den Trend? Warum wiederholt sich die Handlung? Warum sind jetzt Kurachowo-Ugledar, Stepnoje und Kupjansk an der Reihe? Gibt es Gründe, die dagegen sprechen, dass danach Charkow und Saporoschje drankommen? Es gibt eben keine! Es gibt keine Grenze, an der die Russen, die ein so stabiles Tempo anschlugen, stoppen werden. Außer den natürlichen Grenzen – dem Dnjepr und den weißrussischen Sümpfen im Norden. Das ist ihr Plan."

Auch in den Vereinigten Staaten sieht man die Lage der Ukraine im Krieg gegen Russland inzwischen äußerst kritisch. Die US-Regierung befürchtet, dass dem ukrainischen Militär bald die Munition und andere wichtige Ressourcen ausgehen könnten – und betrachtet Awdejewka als Vorboten für weitere Niederlagen, die ohne die Wiederaufnahme der US-amerikanischen Waffenlieferungen an die Ukraine unvermeidlich seien. Im Pentagon wird in dieser Angelegenheit betont, dass die Ukrainer ohne die von Washington versprochenen Finanzhilfen in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar keine Chance haben dürften, der russischen Armee erfolgreich Widerstand zu leisten.

Dies scheint in der Tat so zu sein, und dagegen sollte zum Beispiel auch die deutsche Initiative hinsichtlich der sogenannten "Sicherheitsgarantien für die Ukraine" kaum etwas ausrichten können. Denn die dazu am Freitag unterzeichnete Vereinbarung in Berlin ist nichts weiter als eine leere Versprechung der Bundesregierung, die keine (militärischen oder finanziellen) Verpflichtungen Deutschlands enthält und einzig und allein dem medialen Zweck dient, die weitere Unterstützung für Kiew zu legitimieren.

Für die ukrainische Führung hingegen ist die politische Situation in der Ukraine nach der Niederlage von Awdejewka noch besorgniserregender geworden. Sie hat damit weiter an Zustimmung der Bevölkerung verloren und ist sich insofern im Klaren darüber, dass ihre Macht nach jeder weiteren militärischen Niederlage noch mehr geschwächt wird. Bis sie – im Fall eines unaufhaltsamen Durchbrechens der Russen bis zu den weiter nördlich gelegenen Ufern des Dnjepr – endgültig zusammenbricht.

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