Europa

Deutsch-französische Regierungskonsultationen: An Streitpunkten mangelt es nicht

Heute beginnt in Hamburg die gemeinsame zweitägige deutsch-französische Kabinettsklausur. An Streitpunkten mangelt es allerdings nicht. Weder in der strategischen Ausrichtung der EU noch hinsichtlich des Umgangs mit China findet man derzeit eine gemeinsame Sprache, und gemeinsame Rüstungsprojekte liegen faktisch auf Eis.
Deutsch-französische Regierungskonsultationen: An Streitpunkten mangelt es nichtQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Federico Pestellini

Im deutsch-französischen Verhältnis kriselt es schon länger. Frankreich will mehr europäische Souveränität, Deutschland ordnet lieber deutsche und auch europäische Interessen denen der USA unter. Das ist – in aller Kürze umrissen – die Ausgangslage für die ab heute in Hamburg stattfindenden Regierungskonsultationen. Es ist das erste Mal, dass sich die jetzigen Regierungschefs und Minister beider Länder gemeinsam zu einer Klausurberatung treffen. 

Bereits im September äußerte sich der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) negativ zum deutsch-französischen Verhältnis – anlässlich des Treffens auf der Konferenz der Leiter der deutschen Auslandsvertretungen: 

"Die deutsch-französische Freundschaft ist in Wahrheit eine Polarität, die man so deuten muss, dass wir uns eigentlich in nichts einig sind." 

Vor allem im Bereich der gemeinsamen Rüstungsvorhaben gibt es Anlass für Streit. Gemeinsame Projekte werden von Deutschland verschleppt oder scheitern völlig. 

Angesichts des bereits 2017 beschlossenen Projekts, ein integriertes Luftkampf-System zu entwickeln, hat der Kauf von US-amerikanischen Kampfjets F-35 im Wert von 10 Milliarden Euro im Rahmen der Aufrüstung der Bundeswehr in Frankreich für Verstimmung gesorgt. Nach Auffassung Frankreichs signalisiert die Bundesrepublik damit ihr Desinteresse an der weiteren Entwicklung eines europäischen integrierten Luftwaffen-Systems, zu dem auch die Entwicklung eines neuen Kampfjets gehört. Deutschland betreibt die gemeinsamen Rüstungsvorhaben offenbar wenig ambitioniert. 

Auch im Energiebereich kriselt es im deutsch-französischen Verhältnis. Frankreich plant, den Preis für Atomstrom deutlich zu senken. Deutschland fürchtet, dadurch wirtschaftlich abgehängt zu werden. In Deutschland ist Strom teurer denn je. Sowohl die Russlandsanktionen als auch die Vorhaben zur Energiewende treiben in Deutschland die Kosten für alle Energieträger in die Höhe. Eine Absenkung des Strompreises durch Frankreich würde der französischen Industrie einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der deutschen Konkurrenz verschaffen. Die deutsche Wirtschaft würde noch weiter zurückfallen. 

Das Thema Energie liefert noch auf anderen Feldern Anlass zum Streit. So können sich Deutschland und Frankreich nicht auf eine gemeinsame Linie im Kaukasus-Konflikt einigen. Aserbaidschan ist in die Region Bergkarabach einmarschiert, die Armenien lange Zeit für sich beanspruchte, die faktisch aber ein Teil Aserbaidschans ist. Frankreich will Armenien unterstützen und künftig dorthin auch Waffen liefern. In Deutschland schreckt man mit Blick auf das gerade gestärkte deutsch-aserbaidschanische Verhältnis davor zurück, denn nach dem selbst verordneten Verzicht auf russisches Gas sind nun Lieferverträge mit Aserbaidschan geschlossen – und man will das Land folglich nicht verärgern. 

Auch in der Chinapolitik gibt es massive Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich. Deutschland setzt auf sogenannte Risikoverringerung und will sich aus der angeblich zu großen Abhängigkeit von China befreien. Frankreich sucht vielmehr weiter die Kooperation mit China und bekommt dabei aus China Unterstützung. Nach chinesischen Vorstellungen gehört die strategische Autonomie der EU zur multipolaren Weltordnung. Bleibt die Abhängigkeit der EU von den USA wie bisher bestehen, ist die Multipolarität nach chinesischer Auffassung unvollständig. 

Als deutlich negatives Signal wertet man in Frankreich auch die Kürzung der Mittel für die Goethe-Institute. Der Schritt wird so interpretiert, dass Deutschland offenbar am kulturellen Austausch – einst ein Kernbereich im deutsch-französischen Verhältnis – kein sonderliches Interesse mehr hat. 

Vor diesem Hintergrund sind von der zweitägigen Klausurtagung der deutschen und französischen Regierung wohl kaum substantielle Ergebnisse zu erwarten, zumal sich die deutsche Regierung bislang wenig kompromissbereit zeigt. Das Beharren auf dem eigenen, deutschen Standpunkt hat nicht nur das deutsch-russische Verhältnis vollständig ruiniert. Die kompromisslose deutsche Haltung zu zentralen Themen wird auch innerhalb der EU zunehmend zu einer Belastung für den inneren Zusammenhalt.

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