Asien

Iran und Pakistan: Warum beschießen sich zwei Verbündete Chinas gegenseitig?

Pakistan, das Iran bislang unterstützt hat, steht kurz davor, militärisch gegen seinen Nachbarn vorzugehen. Warum können die beiden Mitglieder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit das Problem nicht im friedlichen Dialog lösen?
Iran und Pakistan: Warum beschießen sich zwei Verbündete Chinas gegenseitig?Quelle: AFP © BANARAS KHAN / AFP

Von Nikolai Wawilow

Am 17. Januar griff Iran Terroristenstützpunkte auf pakistanischem Gebiet an, woraufhin Pakistan am nächsten Tag mit Angriffen auf grenznahe Gebiete des Iran antwortete und seine Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Islamabad rief zudem seinen Botschafter aus Teheran zurück.

Das Besondere an dem Konflikt ist, dass er im Epizentrum chinesischer Interessen ausbricht – in der Region Belutschistan, wo sich die beiden aus Sicht der chinesischen Logistik größten Häfen – Gwadar (Pakistan) und Chabahar (Iran) – befinden. Diese Häfen könnten im Falle einer weltweiten Blockade des chinesischen Verkehrs durch die USA und ihre Verbündeten einen bedeutenden Teil der Öl- und Gastransporte vom Persischen Golf nach China übernehmen.

Der Nahe Osten ist seit jeher eine Region komplexer, miteinander verflochtener Interessen verschiedener Gruppen und Fraktionen, und trotz allen Kriegsnebels ist eines offensichtlich: Feindseligkeiten in Belutschistan werden vor allem Chinas Energiesicherheit treffen. Vor dem Hintergrund des Konflikts im Roten Meer ist dies in der Tat der zweite globale Schlag gegen Chinas Interessen in der Welt.

Am 8. Februar – genau am Vorabend des chinesischen Neujahrsfestes – findet in Pakistan eine groß angelegte Wahl statt, die das Kräfteverhältnis im Parlament bestimmen und sich letztlich auf die Wahl des Premierministers des Landes auswirken wird. Der prochinesische und prorussische Imran Khan wurde nach dem Beginn der russischen militärischen Sonderoperation als Premierminister abgesetzt, zur Wahl stehen nun einerseits der prochinesische und prorussische Militärsprecher Nawaz Sharif sowie andererseits der zu den USA loyale Ali Khan. Ein bewaffneter Konflikt mit dem mit China verbündeten Iran steigert die Wahlaussichten der Pro-Amerikaner.

Es ist möglich, dass die Belutschistanische Befreiungsarmee und mit ihr verbündete Kräfte gerade vor dem Hintergrund wachsender Spannungen in der Zone chinesischer Interessen aktiv geworden sind: Irgendeine Kraft in der Welt zeigt, dass sie in der Lage ist, Chinas Verkehr nicht nur im Roten Meer, sondern auch im Arabischen Meer zu destabilisieren, zumal es nicht schwer wäre, die Situation in einem den Vereinigten Staaten zugeneigten Pakistan anzuheizen.

Im Wesentlichen wird China signalisiert, dass der auf 43 Jahre angelegte Pachtvertrag für den pakistanischen Hafen Gwadar aus dem Jahr 2015 jederzeit durch Militäraktionen von Gruppen in Belutschistan, die weder von Iran noch von Pakistan kontrolliert werden, auf beiden Seiten der Grenze nutzlos werden könnte. Dies ist nicht der erste Schlag gegen die chinesische Logistik im Indischen Ozean: Der Krieg in Myanmar, der Versuch, Sri Lanka zu erschüttern, wo sich der chinesisch kontrollierte Hafen Hambantota befindet, und die Feindseligkeiten im Jemen folgen alle einer koordinierten, kohärenten Handlungsstrategie.

Das Projekt eines unabhängigen Belutschistan wird in den USA heftig diskutiert und natürlich auch unterstützt. Ein Iran und Pakistan voneinander trennendes Land könnte wie Kurdistan zu einem weiteren US-Projekt eines Marionettenstaates werden, der den USA Zugang zum Herzen Eurasiens – zu Afghanistan und Zentralasien – verschaffen und die Arterien von Chinas "Belt and Road"-Projekt durchtrennen könnte.

Offensichtlich hat sich der Stellvertreterkrieg zwischen den USA und China im Nahen Osten von Palästina, dem Irak und Jemen auf Pakistan und Iran ausgeweitet. Die Situation wird sich 2024 noch weiter verschärfen.

Übersetzt aus dem Russischen.

Nikolai Wawilow ist China-Experte und Buchautor

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