Afrika

Warum sich Russland nicht an der Kolonialisierung Afrikas beteiligte

Russland war nicht erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Angelegenheiten Afrikas und in Befreiungskämpfe afrikanischer Völker involviert. Die Geschichte der russisch-afrikanischen Beziehungen reicht mehrere Jahrhunderte zurück und basierte stets auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt.
Warum sich Russland nicht an der Kolonialisierung Afrikas beteiligteQuelle: Sputnik © Ilya Pitalev

Von Maxim Semjonow

In der Regel wird vermutet, dass sich Russland erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiv in die Angelegenheiten des afrikanischen Kontinents einbrachte. Natürlich stimmt es auch, dass die Sowjetunion aus ideologischen Gründen die Entkolonialisierung unterstützte, erhebliche Mittel in die sozioökonomische Entwicklung des Kontinents investierte und Militärberater und Freiwillige zur Verteidigung der Unabhängigkeit der jungen afrikanischen Nationen entsandte. Im 20. Jahrhundert wurde die UdSSR zu einem der wichtigsten Partner der afrikanischen Länder.

Die wahre Geschichte der russisch-afrikanischen Beziehungen reicht jedoch viel weiter zurück als nur in die letzten 50 Jahre. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert mischte sich das Russische Reich aktiv in die Angelegenheiten des afrikanischen Kontinents ein – allerdings nicht auf die gleiche Weise wie andere europäische Mächte, die sich aktiv am "Kampf um Afrika" beteiligten und den Kontinent brutal unter sich als "ihre" Kolonialreiche aufteilten.

Findige Diplomaten und Reisende setzten sich für russische Interessen in Afrika ein, kämpften gegen den Sklavenhandel und prangerten lange vor der Befreiungsbewegung des 20. Jahrhunderts den Rassismus an. Kühne Abenteurer nahmen an waghalsigen Kolonialexpeditionen teil, mutige Militärberater halfen den Afrikanern, sich gegen die vorrückenden europäischen Armeen zu wehren, und tapfere Freiwillige kämpften an der Seite der einheimischen Bevölkerung etwa gegen das riesige britische Empire.

Jetzt, da Russland ein politisches Comeback in Afrika feiert und sein Einfluss auf dem Kontinent wächst, ist es besonders wichtig zu wissen, wie diese Beziehungen begannen und sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelten. Im Folgenden gibt RT einen historischen Überblick über die Beziehungen zwischen dem Russischen Reich und dem Kontinent Afrika.

Aus den Tiefen der Vergangenheit

Der erste Kontakt zwischen Russland und Afrika wurde vor fast tausend Jahren hergestellt. Der Chronist Nestor – ein Mönch, der Ende des 11. Jahrhunderts lebte und der erste russische Historiker war – beschrieb Siedlungen in Ägypten, Äthiopien, Libyen und anderen afrikanischen Ländern. Diese Informationen stützten sich nicht nur auf ältere römische und byzantinische Texte, sondern basierten auf den damals aktuell bekannt gewordenen Fakten. In jenen fernen Zeiten besuchten russische Pilger regelmäßig den Nahen Osten und Nordafrika, und russische und afrikanische Christen knüpften religiöse Beziehungen.

Russlands Macht und Einfluss wuchsen im 16. und 17. Jahrhundert, und es begann, die christlichen Klöster in Afrika materiell zu unterstützen und Schirmherrschaften zu übernehmen.

Die russisch-afrikanischen Kontakte beschränkten sich jedoch nicht auf die Religion, sondern wurden bald auf die geopolitische Ebene ausgeweitet. Der erste russische Kaiser, Peter der Große, wollte den russischen Einfluss weltweit stärken. Nachdem er den Großen Nordischen Krieg gegen Schweden gewonnen hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf neue Unternehmungen.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts richteten sich die Augen aller europäischen Länder auf Indien – ein Land mit unglaublichen Reichtümern und Ressourcen, das für Europa im Hinblick auf den Handel äußerst vielversprechend war. Einige etablierte Handelsrouten mit Indien verliefen auf dem Landweg, aber sie führten durch das Osmanische Reich, das Russland gegenüber feindlich eingestellt war. Für die Europäer war die Haupthandelsroute mit Indien der Seeweg unter Umgehung Afrikas über das Kap der Guten Hoffnung. Diese Route war jedoch nicht nur langwierig und voller Risiken, sondern führte auch vorbei an Madagaskar, das von Piraten als Stützpunkt genutzt wurde.

Ende 1723 schickte Peter der Große zwei Fregatten nach Madagaskar, um die Kontrolle über die Insel zu erlangen. Hätte dies geklappt, hätte Russland einen günstigen Umschlagplatz auf dem Weg nach Indien gehabt und die Möglichkeit, den indischen Handel mit Europa zu kontrollieren. Doch plötzlich brach ein Sturm los, der die Schiffe schwer beschädigte. Der Monarch begann mit den Vorbereitungen für eine zweite Expedition, starb jedoch Anfang 1725, bevor die Vorbereitungen dafür abgeschlossen waren. Der nach seinem Tod einsetzende Machtkampf und die relativ lange Zeit der Palastumstürze erlaubten es Russland für einige Zeit nicht, sich wieder in Afrika zu engagieren.

Dies geschah schließlich erst 50 Jahre später. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, während der Regierungszeit von Katharina der Großen, knüpfte Russland Handelsbeziehungen zu den afrikanischen Gebieten des Osmanischen Reiches – Tunesien, Algerien und Libyen – und eröffnete eine diplomatische Vertretung in Ägypten.

Vergleicht man die Aktivitäten Russlands in Afrika mit denen anderer europäischer Länder im 18. und 19. Jahrhundert, so scheint es, dass die Russen zu spät kamen, um an der kolonialen Aufteilung Afrikas teilzuhaben. Dies lag jedoch nicht nur an der geografischen Entfernung zwischen Russland und Afrika oder an dem feindlich gesinnten Osmanischen Reich, das zwischen beiden lag. Erstens entwickelte sich das russische Reich aus geografischen Gründen hauptsächlich in andere Richtungen – nach Fernost und nach Süden, nach Zentralasien. Zweitens – und weitaus wichtiger – behandelten die Russen schon damals afrikanische Völker und Länder ganz anders als andere Europäer dies taten.

Beziehungen unter Gleichen

Es wird allgemein angenommen, dass ein multikulturelles Umfeld, in dem verschiedene Völker und Kulturen über einen längeren Zeitraum zusammenleben können, ideal ist, um Stereotypen zu bekämpfen und Vorurteile, Rassismus und andere schockierende Ideologien aus der Vergangenheit zu beseitigen. Die Russen, deren Imperium auf den Grundsätzen der Gleichheit und des gegenseitigen Respekts mit den verschiedenen Völkern, die ihr Land bewohnten, aufgebaut war, verfügten von Natur aus über diese Eigenschaften. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel des russischen Offiziers und Ingenieurs Igor Kowalewski, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte.

Im Jahr 1847 wurde er von Muhammad Ali Pascha nach Ägypten eingeladen, um nach Goldvorkommen zu suchen. Dies war jedoch nicht der einzige Teil von Kowalewskis Aufgabe. Der zweite, geheime Teil seiner Mission bestand darin, Informationen zu sammeln, die den russischen Interessen dienen konnten. Dazu gehörten Informationen über Projekte zum Bau eines Suezkanals und eines Nilstaudamms sowie die Untersuchung des Handels in Äthiopien und Arabien. Während seiner Arbeit in Afrika war Kowalewski einer der ersten europäischen Forscher, der eine detaillierte Karte vom sogenannten "Inneren Afrika" erstellte.

Kowalewski und Mitglieder seiner Expedition reisten bis in den heutigen Südsudan. Zusammen mit seinem Partner, dem Biologen Lew Zenkowski, sammelte er in Afrika auch wichtige geologische, biologische und zoologische Proben.

In seinen Tagebüchern empörte sich Kowalewski über den in Afrika immer noch weit verbreiteten Sklavenhandel und den Rassismus der arabischen Sklavenhändler.

Seine Wut wurde von Nikolai Gumiljow geteilt – einem berühmten russischen Dichter, Reisenden und Helden des Ersten Weltkriegs. Gumiljow organisierte 1909 und 1913 zwei Expeditionen nach Afrika, wo er die Bräuche und die Lebensweise der afrikanischen Völker studierte, die Einheimischen medizinisch versorgte und versklavte Menschen auf eigene Kosten freikaufte.

Russische Reisende und Offiziere empfanden die abwertende Haltung gegenüber Afrikanern im Allgemeinen als unzivilisiert und empörend. Sie nahmen in dieser Frage einen festen Standpunkt ein, ohne sich in die inneren Angelegenheiten anderer Nationen einmischen zu wollen. Für die Einheimischen hingegen stand das Verhalten von Gumiljow und Kowalewski in starkem Kontrast zu dem anderer Europäer in Afrika.

Kosaken-Abenteuer

Die meisten Menschen haben noch nie von dem Dorf Sagallo gehört, das am Golf von Tadjoura im heutigen Dschibuti liegt. Doch hier entstand 1889 die erste russische Siedlung in Afrika, gegründet von Nikolai Aschinow. Dieser Abenteurer hatte den afrikanischen Kontinent zuvor mehrmals besucht und sah dort enorme Möglichkeiten.

Nach seiner Rückkehr nach Russland gelang es Aschinow, die Unterstützung einflussreicher Konservativer – des Verlegers Michail Katkow und des Ober-Prokurators der Heiligen Synode Russlands Konstantin Pobedonoszew – zu gewinnen, die seine Initiative zur Gründung einer orthodoxen christlichen Mission in Abessinien (ein Gebiet, dass die heutigen Staaten Äthiopien und Eritrea umfasst) unterstützten. Kaufleute aus Nischni Nowgorod, die an der Förderung russischer Interessen in dieser Region interessiert waren, unterstützten Aschinow ebenfalls finanziell.

Mit 150 Personen, darunter Mönche und Terek-Kosaken, brach Aschinow Ende 1888 nach Afrika auf. Am 6. Januar 1889 kamen die russischen Siedler im heutigen Dschibuti an. Sie besetzten das leerstehende Sagallo-Fort und gründeten auf dessen Areal eine Siedlung namens Neu-Moskau. Die Siedler begannen sofort mit der Bewirtschaftung des Bodens, pflanzten Weintrauben, Kirschen, Zitronen und Orangen an, legten Gemüsegärten an und entdeckten sogar Salz-, Eisen- und Kohlevorkommen.

Interessanterweise fand das einheimische Volk der Afar Gefallen an den russischen Siedlern. Der Sultan von Tadjoura erteilte Aschinow die offizielle Erlaubnis zum Bau der Siedlung, und die Kosaken brachten den Afrikanern neue Anbautechniken bei. Doch die Idylle währte nicht lange.

Das Gebiet, auf dem die russische Kolonie gegründet wurde, stand formell unter französischem Protektorat. Die Franzosen sahen in der Ansiedlung von Aschinow einen Eingriff in ihre Rechte und schickten im Februar 1889 ein Geschwader, bestehend aus einem Kreuzer und drei Kanonenbooten, nach Sagallo. Der Kommandant der französischen Truppen stellte den Russen ein Ultimatum – allerdings sprach keiner von ihnen Französisch, so dass sie kein Wort verstanden.

Das französische Geschwader eröffnete das Feuer auf die Kolonie und tötete sechs Siedler, von denen nur einer zu den "schrecklichen Kosaken" gehörte, der Rest waren Frauen und Kinder. Die überlebenden Russen, die nur Kanonen gegen die Kriegsschiffe besaßen, kapitulierten und wurden nach Russland zurückgeschickt. In der Zwischenzeit zerstörten die Franzosen alles, was die russischen Siedler aufgebaut hatten.

Die Europäer, darunter auch einige Russen, verurteilten damals Aschinows Expedition und bezeichneten den Kosakenführer als "Gauner" und "Betrüger", allerdings wird diese Einschätzung der Realität nicht gerecht. Erstens veröffentlichte Aschinow das erste vergleichende Alphabet für Russisch und Amharisch (die Sprache in Abessinien), was kaum zum Bild eines "Schurken" und "Betrügers" passt. Zweitens zielte die Mission von 1889 auf die Entwicklung von Handels-, Wirtschafts- und Kulturbeziehungen zwischen Russland und der lokalen Bevölkerung ab.

Die Einheimischen und der Sultan von Tadjoura empfingen die russischen Siedler sehr herzlich, die damit eindeutig mehr Rechte an diesem Land hatten als die französischen Kolonisatoren. Dennoch war die erste russische Siedlung in Afrika nicht von Erfolg gekrönt. Bald darauf kehrten die Russen erneut nach Ostafrika zurück, diesmal jedoch definitiv, um die Einheimischen vor westeuropäischen Eindringlingen zu schützen.

Wache halten über Äthiopien

Ende des 19. Jahrhunderts war der größte Teil Afrikas bereits unter den europäischen Großmächten aufgeteilt, aber Äthiopien blieb eines der wenigen unabhängigen afrikanischen Länder. Begünstigt wurde dies durch die geografische Abgelegenheit von der Küste, die Größe Äthiopiens und die Überreste früherer Mächte, die das Land zu einem gefährlichen Gegner für seine Feinde machten. Da die meisten Äthiopier zudem Christen waren, hielten andere christliche Nationen es für falsch, auch dieses Land zu kolonisieren.

Italien, das sich erst 1871 zu einem zentralen Königreich vereinigte und damit zu spät am "Kampf um Afrika" teilnahm, beschloss dennoch, Äthiopien für sich zu erobern. Zunächst eroberte es kleine Küstengebiete auf dem Gebiet des heutigen Eritrea, wo die Macht des äthiopischen Negus (König) schwächer war. Da Äthiopien nicht in der Lage war, einen Sieg über die Italiener zu erringen, machte es den Kolonisatoren zunächst einige Zugeständnisse. Als Rom jedoch direkt die Errichtung eines Protektorats forderte, brachen die Äthiopier alle Beziehungen zu Italien ab. Ein Krieg lag in der Luft, aber Äthiopien hatte einen großen Freund im Norden – Russland.

Parallel zu Aschinows abenteuerlicher Expedition operierte das Russische Reich in Äthiopien auch auf der Ebene des militärischen Geheimdienstes. 1887 legte der 20-jährige Oberleutnant Viktor Maschkow dem Kriegsminister Pjotr Wannowski eine Analyse der militärischen und politischen Lage Äthiopiens vor und wies darauf hin, dass Russland Beziehungen zu diesem afrikanischen Land aufbauen müsse.

Im darauffolgenden Jahr trat der junge Offizier Maschkow mit der persönlichen Zustimmung vom russischen Kaiser Alexander III. in die Reserve ein und reiste als unabhängiger Korrespondent nach Afrika. Es gelang ihm, die Unterstützung des damaligen Neguse Negest (deutsch: König der Könige), des Kaisers von Äthiopien Menelik II. zu gewinnen und die ersten russisch-äthiopischen Kontakte herzustellen. Zwischen Menelik II. und Alexander III. entwickelte sich ein reger Briefwechsel, und die Arbeit auf diplomatischer Ebene konnte beginnen. Die beiden Länder, die durch eine gemeinsame Religion verbunden waren und gemeinsame geopolitische Interessen hatten, bauten schnell konstruktive und freundschaftliche Beziehungen auf.

Als 1895 der Erste Italo-Äthiopische Krieg begann, wachte Nikolai Leontjew mit seiner beeindruckenden Gestalt über die Afrikaner. Im Alter von 33 Jahren war Leontjew nur ein Jessaul (Hauptmann) der Kuban-Kosakenarmee. Dennoch war er faktisch der Befehlshaber einer Gruppe von Militärberatern und die rechte Hand von Kaiser Menelik II.

Leontjew lehrte die Äthiopier nicht nur europäische Militärstrategie und -taktik, sondern brachte auch 30.000 Gewehre, 40 Gebirgsgeschütze und Millionen von Patronen und Munition aus Russland mit. Russische Militärberater sorgten für strenge Disziplin und brachten den äthiopischen Kämpfern moderne Methoden der Kriegsführung bei. Die Ergebnisse dieser Ausbildung zeigten sich schnell.

Die Schlacht von Adua am 1. März 1896 überraschte nicht nur die Italiener, sondern auch die Russen und die Äthiopier, die einen solchen Erfolg nicht erwartet hatten. Das italienische Expeditionskorps wurde fast vollständig vernichtet – von 15.000 Mann wurden 11.000 getötet oder verletzt, und 3.500 ergaben sich. Die Äthiopier selbst verloren etwa 4.000 Mann.

Italien, das gezwungen war, die Unabhängigkeit Äthiopiens anzuerkennen, musste 1896 als erstes europäisches Land seine Niederlage in einem Krieg mit einem afrikanischen Land eingestehen und stimmte Entschädigungszahlungen zu. Russland unterstützte Äthiopien bei der Verteidigung seiner Unabhängigkeit und half später beim Aufbau seiner regulären Armee. Diese Zusammenarbeit beruhte auf den Grundsätzen der Gleichheit und des gegenseitigen Respekts.

Neben Maschkow und Leontjew nahmen auch andere herausragende russische Offiziere und Wissenschaftler an der Äthiopienkampagne teil. So waren das etwa Alexander Bulatowitsch – der erste Europäer, der das Königreich Kaffa erforschte – und Jewgeni Maximow – ein Held des Russisch-Türkischen Krieges, der Zentralasien erkundete, als Journalist in Äthiopien tätig war und an einem weiteren Krieg teilnahm, in dem Russland Afrika im Kampf gegen die westlichen Kolonisatoren unterstützte.

Russen und Buren: Brüder für die Ewigkeit

Im Jahre 1652 kamen die ersten holländischen Siedler am Kap der Guten Hoffnung an und begannen dort, den südlichen Teil Afrikas zu erkunden. Sie gründeten die Kapkolonie und deren Hauptstadt Kapstadt. Im Jahr 1795, während der französischen Revolutionskriege, nutzte Großbritannien die Tatsache, dass die Franzosen die Niederlande besetzten, und eroberte seinerseits die Kapkolonie. Die Nachfahren der niederländischen Kolonisten – die Buren – wehrten sich vehement gegen die Massenumsiedlung der Kolonisten, die Einführung des Englischen als Amtssprache und die Erhöhung der Steuern.

Die Buren zogen in die nordöstliche Region vom heutigen Südafrika, wo sie zwei Republiken gründeten: Transvaal und den Oranje-Freistaat. Eine Zeit lang kehrte das Leben der Buren zur Normalität zurück, doch das änderte sich, als in ihrem Gebiet riesige Gold- und Diamantenvorkommen gefunden wurden. In den Jahren 1880/1881 scheiterte der erste Versuch Großbritanniens, die Burenrepubliken zu erobern, aber die Briten gaben ihre Pläne nicht auf und bereiteten sich auf einen neuen Konflikt vor. Als die Buren erkannten, dass ein Krieg unvermeidlich war, starteten sie 1899 einen eigenen Angriff. Der Zweite Burenkrieg begann.

Offiziell blieben alle anderen Länder neutral, aber die öffentliche Meinung und die Regierungen vieler europäischer Länder stellten sich auf die Seite der Buren. Einige, wie die Niederländer, unterstützten die Buren aufgrund ihrer ethnischen Nähe. Die meisten Länder wurden jedoch durch den Kampf der kleinen freien Burenrepubliken gegen das riesige britische Empire inspiriert. Die Franzosen, Deutschen, Iren und Russen unterstützten die Buren in der Hoffnung, die britische Hegemonie in diesem entlegenen Winkel der Welt zu besiegen.

Die Buren erhielten Unterstützung in Form von Freiwilligen, Geld und Ausrüstung aus der ganzen Welt. Es mag den Anschein haben, dass trotz der allgemeinen Unterstützung für die Buren in Europa die Zahl der Freiwilligen – weniger als 3.000 Personen – nicht sehr groß war. In diesem Zusammenhang gibt es jedoch einige wesentliche Dinge zu beachten. Erstens gab es zu Beginn des Konflikts nicht mehr als 28.000 britische Soldaten in Südafrika, während die Buren etwa 45.000 Kämpfer auf ihrer Seite hatten. Die Freiwilligen machten also anfangs einen beträchtlichen Prozentsatz derjenigen aus, die die Buren unterstützten, und ihr Anteil war größer als der derjenigen, die auf der Seite der Briten standen.

Zweitens – und das war besonders wichtig – handelte es sich bei den Freiwilligen nicht um einfache Leute, sondern meist um Offiziere mit Kampferfahrung. In den drei Jahren des Krieges kämpften nur etwa 200 russische Freiwillige an der Seite der Buren, aber es waren einige der besten Männer Russlands. Der bereits erwähnte Held des Äthiopienfeldzugs, Jewgeni Maximow, wurde der zweite Kommandeur der ausländischen Buren-Freiwilligen. Alexei Jedrichin (auch als "Alexei Vandam" bekannt), ebenfalls ein junger Offizier, erwies sich später nicht nur als Generalstabsoffizier und Held des Ersten Weltkriegs, sondern auch als herausragender russischer Geopolitiker und Geostratege. Der spätere Vorsitzende der Staatsduma Alexander Gutschkow, einer der ersten russischen Flieger Nikolai Popow und viele andere bekannte Persönlichkeiten ihrer Zeit kämpften ebenfalls an der Seite der Buren.

Das Leben der ausländischen Freiwilligen in Afrika war alles andere als einfach. Sie wurden nicht bezahlt, da die ländlichen Burenrepubliken nur wenig Geld zur Verfügung hatten. Offiziersposten wurden selektiv verteilt, und ohne Kenntnisse des Niederländischen und Autorität bei den Einheimischen konnte ein Ausländer – selbst ein Adliger mit Titel oder ein hervorragender Militär – nur mit einem niedrigen Rang rechnen. Hinzu kamen der natürliche Stolz der Buren und ihre mangelnde Bereitschaft, Befehle zu befolgen, sowie die anspruchsvollen Bedingungen des Dienstes, das heiße Klima und alle Härten des Guerillakrieges.

Anfangs behandelten die Buren alle Freiwilligen mit Vorsicht, aber die Russen gewannen in ihren Augen schnell an Autorität und Gunst. Zahlreiche Berichte belegen, dass alle Freiwilligen, die nach Südafrika kamen, ideologisch motiviert waren, um den Buren in ihrem Kampf um Freiheit zu helfen. Die russischen Freiwilligen stahlen nicht und plünderten nicht; sie dienten aufrichtig und kämpften tapfer auf Augenhöhe mit den Buren. So kehrte beispielsweise Jewgeni Maximow, obwohl er durch einen Schuss am Kopf verletzt worden war, bald nach seiner Genesung in die Reihen der Freiwilligen zurück, setzte seine Aufklärungsmissionen fort und führte die Truppen zum Angriff.

Die russischen Freiwilligen nahmen nicht nur direkt an den Kämpfen teil, sondern leisteten den Buren auch medizinische Hilfe. Eine Abteilung des Russischen Roten Kreuzes, die zu Beginn des Krieges eintraf und nur 33 Personen umfasste, versorgte allein in den ersten sechs Monaten der Kämpfe fast 7.000 Kranke und Verwundete.

Der Kampf zwischen David und Goliath endete schließlich mit dem Sieg des Letzteren.

Mit der erstmaligen Einrichtung von Konzentrationslagern und der Einführung eines brutalen Besatzungsregimes gelang es dem britischen Empire schließlich, den Widerstand der Buren zu brechen. 1902 endete der Krieg, und Großbritannien annektierte die Burenrepubliken.

Trotz des erfolglosen Ausgangs des Krieges taten russische Freiwillige alles in ihrer Macht Stehende, um den Buren zu helfen. Darüber hinaus war die Unterstützung Russlands entscheidend für die Erhaltung der Unabhängigkeit anderer afrikanischer Länder, darunter auch Äthiopiens. In jenen fernen Zeiten legte Russland das Fundament und die allgemeinen Grundsätze, auf denen es seine Politik gegenüber den afrikanischen Ländern im 20. und 21. Jahrhundert fortsetzte.

Übersetzt aus dem Englischen.

Maxim Semjonow ist ein russischer Journalist mit dem Schwerpunkt Postsowjetische Staaten.

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