Russland

Was mit der Wagner-Gruppe ohne Prigoschin passiert

Wladimir Putin kündigt eine Ermittlung des Absturzes von Prigoschins Flugzeug an und hebt den Beitrag von Wagner im Kampf gegen Neonazismus hervor. Experten sind der Ansicht, dass sich die Zukunft der Wagner-Gruppe in den kommenden Monaten entscheiden könnte. Welche Optionen gibt es?
Was mit der Wagner-Gruppe ohne Prigoschin passiertQuelle: Sputnik © Alexandr Galperin

Von Andrei Restschikow

Russlands Präsident Wladimir Putin hat bei einem Treffen mit dem Oberhaupt der Donezker Volksrepublik am Donnerstag sein Beileid an die Angehörigen jener ausgesprochen, die beim Absturz des Flugzeugs ums Leben kamen, zu dessen Passagieren der Leiter des privaten Militärunternehmens "Wagner", Jewgeni Prigoschin, gehörte. "Was das Flugzeugunglück angeht, möchte ich zuallererst mein aufrichtiges Beileid an die Familien der Toten aussprechen. Das ist immer eine Tragödie", sagte Putin.

Dem Präsidenten zufolge werde der Beitrag der Mitglieder der Wagner-Gruppe zur Bekämpfung des Neonazismus in der Ukraine nicht vergessen. "Ich möchte anmerken, dass es Menschen sind, die einen bedeutenden Beitrag zu unserer gemeinsamen Sache der Bekämpfung des neonazistischen Regimes in der Ukraine leisteten. Wir erinnern uns daran, wissen es und werden es nicht vergessen", betonte Putin.

Russlands Ermittlungskomitee hat eine vorläufige Untersuchung der Katastrophe eingeleitet, die Ermittlung wird in vollem Umfang und bis zum Ende geführt werden, versicherte der Präsident. Putin merkte an, dass er Prigoschin seit den 1990er Jahren kannte. "Er war ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal. Er beging ernsthafte Fehler im Leben, erreichte aber auch die nötigen Ergebnisse – sowohl für sich selbst als auch dann, wenn ich ihn darum bat, für eine gemeinsame Sache, wie in diesen letzten Monaten", sagte der Präsident.

Putin zufolge kam Prigoschin erst am Mittwoch aus Afrika zurück, wo er gewisse offizielle Persönlichkeiten traf. "Er arbeitete – und dies produktiv – nicht nur in unserem Land, sondern auch im Ausland, insbesondere in Afrika. Dort beschäftigte er sich mit Öl, Gas, Edelmetallen und Edelsteinen", fügte Putin hinzu.

Seinerseits erklärte Puschilin, dass Prigoschins Tod ein schmerzhaftes Thema für die DVR sei, wo Kämpfer der Wagner-Gruppe um die Befreiung von Soledar und Artjomowsk (ukrainisch: Bachmut) kämpften. "Wir nahmen diese Nachricht mit Sorge und großem Mitgefühl an. Doch wir verstehen, dass der Gegner vor nichts zurückschreckt", sagte Puschilin.

Wie Russlands zivile Luftfahrtbehörde Rosawiazija zuvor gemeldet hatte, war Prigoschin auf der Liste von sieben Passagieren des Privatflugzeugs Embraer verzeichnet, das nahe der Ortschaft Kuschenkino im Gebiet Twer, etwa 300 Kilometer von Moskau entfernt, abstürzte. Das Flugzeug war von Moskau nach Sankt Petersburg unterwegs. Nach vorläufigen Angaben befanden sich zehn Personen, darunter drei Besatzungsmitglieder, an Bord.

Experten sind sich uneinig darüber, was mit Wagner ohne Prigoschin passieren wird, dem es gelang, aus der Gruppe eine Weltmarke zu schaffen. "In letzter Zeit war die Wagner-Gruppe vornehmlich in Weißrussland und Afrika stationiert. Darüber hinaus verpflichtete sich ein bedeutender Anteil der Kämpfer den russischen Streitkräften", erklärt der Militärexperte Juri Knutow. Nach seiner Prognose könnte der Rat der Wagner-Kommandeure entweder Prigoschins Sache weiterführen oder das Unternehmen auflösen. "Ich denke aber, dass sie versuchen werden, das private Militärunternehmen zu erhalten und weiterzuarbeiten. Schließlich verfügt die Organisation über eine reiche Kampferfahrung", merkt er an.

"In Weißrussland sind die Wagner-Kämpfer jetzt hauptsächlich mit der Ausbildung der Militärangehörigen beschäftigt. In Afrika und im Nahen Osten haben sie ein recht breites Tätigkeitsfeld. Sie sind in der Zentralafrikanischen Republik und in Mali im Einsatz, erfüllten gewisse Missionen in Syrien und Libyen, und es ist durchaus möglich, dass sich auch andere Staaten mit der Bitte um Hilfe an sie gewandt haben", führt der Experte aus.

"Man kann sagen, dass es der Wagner-Gruppe gelang, die Lage in denjenigen afrikanischen Staaten zu stabilisieren, wo sie sich befanden und Missionen erfüllten. Und was auch nicht unwichtig ist: Es gelang ihnen, die Franzosen und teilweise sogar die US-Amerikaner zurückzudrängen. Dennoch könnte die Konsolidierung der Gruppe ins Wanken geraten. Natürlich wird vieles vom neuen Kommandanten abhängen. Er wird sich gut im Militärwesen auskennen, aber auch über diplomatische und politische Fähigkeiten verfügen müssen. Das ist notwendig, um einen konstruktiven Dialog mit Staatschefs aufzubauen", sagt Knutow.

"Gegenwärtig ist es schwierig, in der Gruppe einen Kommandanten zu finden, der im Hinblick auf Charisma und mediale Aktivität Prigoschin nahekommen würde. Alle Wagner-Kommandanten sind Militärs, die fernab von Politik und Medien stehen. So etwa Andrei Troschew mit dem Rufnamen "Grauhaariger", den Russlands Präsident als De-facto-Kommandanten während der vergangenen Monate erwähnte", vermutet der Experte.

"Das private Militärunternehmen Wagner ist eine kommerzielle Organisation. Ich denke, dass alle Organisationsformen, die es innerhalb der Wagner-Gruppe gibt, ihre Funktionen auch weiterhin erfüllen werden. Natürlich wird es nicht mehr dieselbe Wagner-Gruppe wie unter Prigoschin sein, denn er verfügte tatsächlich über ein recht großes Charisma", sagt Anatoli Matwijtschuk, ehemaliger Offizier der Spezialtruppen und Oberst a.D.

Seiner Meinung nach werde sich die Struktur der Gruppen kaum bedeutend verändern, und der Rat der Leiter werde bestehen bleiben. "Die Schaffung des privaten Militärunternehmens Wagner war ein langwieriger Prozess. Es nahm an Einsätzen in Syrien und der Zentralafrikanischen Republik teil. Und ich denke, dass die Gruppe ihre Positionen in Afrika halten können wird", erklärt Matwijtschuk.

Der Experte stimmt der These zu, dass die Wagner-Kämpfer die Lage in denjenigen afrikanischen Staaten, wo sie im Einsatz waren, stabilisierten. "Organisatorisch wurden sie zum Teil der afrikanischen Strukturen, die die Exekutive und die Legislative kontrollieren. Sie stützten diese Organisationen mit ihren Bajonetten und konnten die Lage im Kampf gegen den Terror stabilisieren", sagt Matwijtschuk.

In Russland ist der rechtliche Status von privaten Militärunternehmen nicht definiert, erinnert der Militärexperte Alexandr Artamonow. Nach dem Beginn der speziellen Militäroperation, als sich herausstellte, dass sich die NATO auf die Ereignisse wie auf einen großen Krieg vorbereitete, sei es notwendig geworden, auf private Initiative zurückzugreifen.

"In Russland war es ein vorübergehendes Phänomen, das inzwischen faktisch verschwunden ist. Dementsprechend wird Prigoschins Platz niemand einnehmen", vermutet er. In Afrika seien die Aktionen der Gruppe dagegen durch die Russische Föderation garantiert worden, weswegen die Einsätze offenbar mit der Zustimmung Moskaus geführt worden seien. Daher werde die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten wohl kaum große Änderungen erfahren.

Was die Behauptungen des polnischen Ministerpräsidenten über eine angebliche Bedrohung durch die Wagner-Gruppe angeht, "bellen hier getroffene Hunde", meint der Experte. Dies legen offizielle Angaben über die Aufstellung neuer Verbände in Ostpolen nahe, die "jederzeit in die Nordukraine ausrücken könnten".

Artamonow zufolge rühren die von Polen verkündeten Besorgnisse von der Tatsache, dass das Land eine aggressive Position in Bezug auf Russland einnimmt. "Vor dem Hintergrund dieser Erklärungen kämpfen polnische Militärangehörige weiterhin auf dem Gebiet der Ukraine. Sie werden mit militärischen Ehren begraben, denn Warschau selbst führt mit uns einen Krieg und macht keinen Hehl daraus", betont der Experte.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.

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