Meinung

Die Tagesschau und der Staudamm – Propaganda statt Berichterstattung

Unmittelbar nach Bekanntwerden, dass der Staudamm von Kachowka gebrochen war, lässt die Tagesschau "Experten" zu Wort kommen, die suggerieren: der Russe war’s. Das ist unlauter und hat mit Journalismus nichts zu tun. Die Tagesschau ist alles Mögliche, nur keine Nachrichtensendung.
Die Tagesschau und der Staudamm – Propaganda statt BerichterstattungQuelle: Sputnik © Dmitry Makeev

Von Gert Ewen Ungar

Am 6. Juni brach der Staudamm von Kachowka. In der Folge wurden große Teile des Gebiets Cherson überflutet. Bewohner mussten evakuiert werden. Die Folgen der Katastrophe für Mensch und Natur sind noch gar nicht in vollem Ausmaß abschätzbar. Nicht geklärt ist auch die Schuldfrage. Die Ukraine beschuldigt Russland, Russland beschuldigt die Ukraine. Allerdings ist sich die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt sicher, dass Russland schuld ist.

Auch die Tagesschau fragt sich scheinheilig, legt aber kurzerhand die Fährte in Richtung Russland und ignoriert dabei Fakten. Sie folgt der einschlägigen Strategie, die sich bereits anlässlich der Sprengung von Nord Stream "bewährt" hat. Sie lässt nur für die eine Seite argumentierende "Experten" zu Wort kommen.

Mit dieser unlauteren Technik schlägt die Tagesschau gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie wird einerseits ihrem offenkundig vorhandenen Propaganda-Auftrag gerecht und hält gleichzeitig scheinbar journalistische Standards ein, weil sie nicht einfach etwas behauptet, sondern Experten entweder zitiert oder im Originalton wiedergibt.

Dass sie die Experten danach auswählt, wer die deutsche Propaganda am besten bedient, erfordert schon ein gewisses Mindestmaß an medienkritischem Verstand, den die Tagesschau mit Fug und Recht bei vielen ihrer verbliebenen Zuschauer nicht mehr fürchten muß. Diejenigen, die die Masche durchschauen, haben sich längst abgewandt. 

Im Falle von Nord Stream kam der Norweger Tor Ivar Strömmen zu Wort, den die Tagesschau als Militärwissenschaftler und Marineoffizier vorstellte. Wenige Stunden nachdem die Berichte über ein Leck in der Pipeline in den Medien verbreitet wurden, ließ Strömmen die Zuschauer der Tagesschau wissen, dass für eine Täterschaft nur einer infrage kommt:

"Da bleibe eigentlich nur Sabotage als Erklärung. 'Ich sehe nur einen möglichen Akteur und das ist Russland', führte der Offizier aus" – schreibt die Tagesschau am 27. September 2022.

Ein Dreivierteljahr später wissen wir, dass wir nichts wissen, nichts Offizielles. Der Aufklärungswille ist mehr als begrenzt, die wichtigste Spur, die nicht nach Russland, sondern in die USA führt, wird aus Vasallentreue nicht weiter verfolgt. Und ansonsten wirft der deutsche Mainstream fleißig weiter mit immer neuen Nebelkerzen und Pflanzensprengstoff um sich. Unter journalistischen Aspekten ist das alles wenig vertrauenswürdig. Festzuhalten bleibt: Was der Tagesschau im ersten Moment wichtig war, war weniger die Information über Fakten, von denen es kaum welche gab, sondern lediglich die Anschuldigung und das Sammeln einseitiger Argumente: Russland war's!

Das macht man in der Redaktion auch jetzt noch. Die Redakteure greifen in diesem Zusammenhang gleich auf zwei Experten zurück. Zunächst darf Christian Mölling vom steuerfinanzierten, transatlantischen und damit einseitig informierenden, hauptsächlich staatlich finanzierten Thinktank Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik die Fährte nach Russland legen.

Wie auch im Fall von Nord Stream titelt die Tagesschau bereits wieder wenige Stunden nach Bekanntwerden des Ereignisses "Militärisch kein Wendepunkt" und deutet mit der Unterstellung eines Nutzengedankens im Ukraine-Krieg für die ohnehin von der Tagesschau rundum desinformierten Zuschauer in Richtung Russland.

Denn jeder, der die Tagesschau sieht, weiß, dass Russland sowieso keine Chance hat, weil es ständig Fehler macht, weil die russische Militärführung zerstritten und das System Putin dem Untergang geweiht ist. Russische Soldaten haben auch keinen vernünftigen Plan. Die Russen haben generell gar nichts, keine Munition und keine Waffen, sie kämpfen mit Spaten, erklärte das selbsternannte Flaggschiff der deutschen Nachrichten einst seinen Zuschauern allen Ernstes.

Russische Soldaten morden, vergewaltigen und brandschatzen dagegen Tag für Tag. Die ukrainischen Helden tun all das selbstverständlich nicht, sondern verteidigen mutig die Freiheit nicht nur ihres eigenen Landes, sondern gleich die Freiheit von uns allen im Westen mit. Alles, was irgendwelche Zweifel an dieser Sicht aufkommen lassen könnte, lässt die Tagesschau einfach weg. Da macht sie so einzigartig einseitig und unverwechselbar. 

Nach der tendenziösen Überschrift geht es tendenziös weiter: 

"tagesschau.de: Herr Mölling, was genau wissen Sie bislang? Welche Seite könnte wie in die Sprengung des Staudamms involviert sein?
Christian Mölling: Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nur, dass der Staudamm kaputt ist. Dann beginnt schon der Informationskrieg. Dabei muss man mit Plausibilitäten arbeiten. Zunächst besteht die Frage, hat die Ukraine irgendeinen Vorteil durch diese Sprengung des Staudamms? Ich kann den nicht erkennen. Russland hat insofern einen kurzfristigen Vorteil, als die offensichtlich beginnende Offensive der Ukrainer dadurch verlangsamt wird und man Pläne ändern muss."

Wer hätte etwas anderes erwartet? Der Russe hat das größere Interesse, glaubt man im deutschen Fernsehen. So eine Überraschung aber auch. Und wer danach die Sache nicht für endgültig geklärt hält und noch die Notwendigkeit verspürt, das Interview zu Ende zu lesen, wird auch am Schluss noch einmal fündig:

"tagesschau.de: Ist die Sprengung also eine Antwort Russlands auf die begonnene Offensive der ukrainischen Seite? (...)
Mölling: Offensichtlich hat Russland nicht mehr viele Handlungsoptionen. Russland ist offensichtlich nicht in der Lage, klassisch militärisch zu eskalieren, da es militärisch ziemlich blank ist."

Der Russe ist schon wieder einmal am Ende, zumindest laut Tagesschau und ihrem "Experten". 

Damit die Deutschen für sich die Schuldfrage wirklich als geklärt ansehen können, kommt noch ein zweiter "Experte" zu Wort. In einem Interview darf Carlo Masala seine Sicht auf die Dinge zum Besten geben. Auch er argumentiert wie immer gegen Russland. Sonst wäre er wohl auch nicht eingeladen worden. Masala kann sich immerhin vorstellen, dass es sich doch (aus Unfähigkeit?) um eine Art Versehen handelt. Von Russland verschuldet, selbstverständlich. 

Masala: "Es kann durchaus sein, dass das ein Bruch war aufgrund der Tatsache, dass dieser Staudamm nicht in bestem Zustand war." 

Warum er nicht in bestem Zustand war, sagt Masala natürlich nicht – und die Tagesschau fragt lieber auch gar nicht erst nach. Dabei ist die Antwort auf die Frage einfach: Der Staudamm war nicht in "bestem Zustand", weil er bereits im vergangenen Jahr von der Ukraine massiv unter Beschuss genommen worden war. Zum Einsatz kamen unter anderem von den USA gelieferte HIMARS-Raketenwerfer.

Bei ihrem Vorstoß auf Cherson hatte die Ukraine den Staudamm unter Beschuss genommen. Aufgrund der Gefahr, die von einem möglichen Dammbruch ausging, den die Ukraine offenbar provozieren wollte, wurden die Einwohner Chersons evakuiert – und im Anschluss daran hat sich auch das russische Militär geordnet zurückgezogen, um einer Einkesselung zu entgehen.

Den Tagesschau-Zuschauern waren die Evakuierung und der geordnete Rückzug übrigens als panikartige Aufgabe von "besetztem Gebiet" und natürlich als Anfang vom Ende des "russischen Okkupation" verkauft.

In Russland sieht man darin die Ursache für den Dammbruch. Auch noch am Vorabend und in der Nacht wurde Beschuss vom Damm gemeldet. Vermutlich war es das, was dem bereits massiv beschädigten Damm den Rest gegeben hat. Genaueres werden weitere Untersuchungen klären, die man in Deutschland natürlich nicht abwarten, geschweige denn melden muss. Es könnte ja das Falsche herauskommen.

Über eine einberufene Dringlichkeits-Sitzung des UN-Sicherheitsrates wird nur berichtet, dass sich die Ukraine und Russland gegenseitig die Schuld geben. Wer die Sitzung des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen einberufen hat, verschweigt die Tagesschau ihrem Publikum sicherheitshalber. Es war Russland. 

Die Tagesschau hat jedenfalls im Zusammenhang mit dem Staudammbruch erneut deutlich gemacht, dass sie alles Mögliche ist, nur keine Nachrichtensendung. Wer sich von der Tagesschau informieren lässt, wird komplett desinformiert. Sie erfüllt selbst ganz niedrig gehängte journalistische Standards nicht.

Mehr zum Thema – Der Russe war's !? Bild-Zeitung korrigiert Schlagzeile nach erstem Schnellschuss

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.