Gaming und kreative Freiheit im Visier der woken Abrissbirne
Von Ian Miles Cheong
Videospiele standen schon immer an vorderster Front im sogenannten Kulturkampf. Und das wird sich so schnell nicht ändern. Aber Mächte aus dem Inneren der Branche selbst, drohen jenen Freiheiten ein Ende zu bereiten, welche die meisten Schöpfer seit Beginn dieses Mediums genossen konnten.
Von der moralischen Panik der 1990er-Jahre, als Tipper Gore, die Frau des damaligen Vizepräsident Al Gore, einen Kreuzzug gegen Spiele wie Night Trap und Mortal Kombat führte und das Thema bis vor den Kongress brachte, bis weit hinein in die 2000er-Jahre, als Hillary Clinton und der ehemalige Senator Joe Lieberman wegen Verherrlichung von Kriminalität und Frauenfeindlichkeit den Kampf gegen Grand Theft Auto: San Andreas aufnahmen: Die Videospieleindustrie und ihre Unterstützer in den Unterhaltungsmedien standen immer an vorderster Front. Sie argumentierten sowohl in den Gerichtssälen als auch in Fernsehsendungen überall in den USA, dass Meinungsfreiheit den Spieleentwicklern die Freiheit gebe, sich kreativ auszudrücken. Auch wenn es jemand anderen beleidigt.
Es war jene Zeit, als das Entertainment Software Rating Board (ESRB) gegründet wurde, ein von der Industrie betriebenes Bewertungsgremium, um besorgten Eltern zu signalisieren: "Wir haben verstanden. Suchen Sie auf der Verpackung einfach nach dem Aufkleber mit der Aufdruck 'E' und dann wissen Sie, dass Ihre Kinder dieses Spiel sicher spielen können. Wenn 'M' auf dem Aufkleber steht, dann kaufen Sie es besser nicht, es sei denn, Ihre Kinder sind 17 oder älter."
Es ist ein System, das Sinn ergeben hat und immer noch Sinn ergibt. Es wurde ins Leben gerufen, um jegliche Art von staatlicher Regulierung zu verhindern. Und glücklicherweise führte dies nicht zu einer Wiederholung des Autoritätskodex für Comics aus dem Jahr 1954, der damals von Comic-Verlagen wie DC Comics und Marvel Comics aus demselben Grund eingeführt wurde.
Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Autoritätskodex bis in die 1980er-Jahre effektiv gegen kreatives Geschichtenerzählen vorgegangen ist, während Videospiele, sogar jene, die mit einem Aufkleber des ESRB versehen sind, florierten und dies auch weiterhin tun, da Spieleentwickler die Grenzen des Kreativen mit allen möglichen Inhalten verschieben, egal wie heftig oder provokativ.
Auch Journalisten trugen ihren Teil zur Verteidigung von kreativen Freiheiten der Spieleentwickler bei. Mit dem Argument, dass Videospiele eine Kunstform sind, setzten sich Spielekritiker, Autoren und dergleichen sehr zum Leidwesen angesehener Filmkritiker wie Roger Ebert erfolgreich dafür ein, Videospiele zu einer respektablen Kunstform zu machen, die in der Lage ist, mit demselben Pomp und Flair eines Hollywood-Kassenschlagers emotionale Geschichten zu erzählen.
Naughty Dog’s Uncharted gab den Weg für den späteren Nathan Drake vor, einen schurkischen Schatzsucher, der es zwar niemals schaffte, außergewöhnlich reich zu werden, aber eine Fülle von Abenteuern, Freundschaften und eine Familie fand. Es war ein Spiel, das mit den Spielern mit aufwuchs.
God of War von Sony war sehr ähnlich. Kratos, der ehemals zweidimensionale Protagonist der Serie, entwickelte sich von einem psychopathischen Grenzgänger zu einem bescheidenen Vater, der seinem Sohn die Lektionen weiter gab, die er im Laufe seines Lebens als Krieger Spartas gelernt hat. Nicht schlecht für einen Charakter, der Gorgonen und anderen Fabelwesen die Köpfe abreißt.
Doch die Freiheit, die von den Leitungsgremien der Branche und der Regierung selbst angeboten wird und zum großen Teil dank Richter Antonin Scalia, der die kreative Freiheit in Videospielen am besten verteidigt hat, diese kreative Freiheit geht zu Ende. Denn die Industrie und ihre Befürworter, jene Unterhaltungs- und Gaming-Journalisten, die einst als Bastion gegen jegliche Zensur standen, fordern dies jetzt aktiv und machen in vielen Fällen jeden nieder, der es wagt, seine kreativen Freiheiten auszudrücken, wenn dies gegen die Kultur der Wokeness verstößt.
Der Drang nach politischer Korrektheit, der lange auf sich warten ließ, seit die begeisterte Presse Ende der 2000er-Jahre forderte, Videospiele durch eine "kritische Linse" zu betrachten, ist nun zur Norm geworden. Ein Videospiel darf auf keinen Fall bei bestimmten Themen "aus dem Rahmen fallen", ohne dass es mit Begriffen wie frauenfeindlich, homophob, transphob, rassistisch oder was auch immer gegeißelt wird. So wie man es in einem von Robin D’Angelo veranstalten Seminar für Vielfalt erfahren kann. Und statt einer Robin D’Angelo hat die Spieleindustrie ihre ganz eigene Anita Sarkeesian. Es wurde genug Tinte über den intersektionalen feministischen Einfluss von Sarkeesian auf die Branche vergossen, sodass wir hier eine Wiederholung davon überspringen können.
Spider-Man: Remastered von Marvel betritt die Bühne. Das neueste Spiel von Sony, bei dem unternehmungslustige Spieler die Dateien des Spiels am PC ändern und nicht autorisierte Modifikationen im Spiel selber vornehmen können. Auch bekannt als "Modding", abgeleitet vom Begriff Modifikation, wird jemand, der mit der Gamerszene nicht vertraut ist, vielleicht nicht auf Anhieb erkennen, dass dies im Gaming eine lange Tradition hat.
Obwohl Modding von den meisten Herausgebern von Spielen nicht offiziell unterstützt wird, sind sie zu einem bestimmenden Merkmal bei PC-Spielen geworden, was sie von einer PlayStation- oder Xbox-Erfahrung abhebt, die es den Spielern normalerweise nur ermöglicht, die Spiele so zu erleben, wie es die Entwickler beabsichtigt haben.
Zahlreiche hochkarätige Spieleentwickler und die von ihnen geschaffenen Spiele hatten ihre Ursprünge in der Moddingszene. Das allseits beliebte CSGO wurde ursprünglich als Mod für Half-Life entwickelt und das Genre Battle Royale – Apex Legends, PUBG und Call of Duty: Warzone – verdankt seine Existenz jenen, welche die Militärsimulation Arma 3: League of Legends modifiziert haben während DOTA2 seine Geburt in einem Warcraft-3-Mod namens Defense of the Ancients erlebte. Ich denke, Sie verstehen die Idee dahinter.
PC-Gaming ermöglicht all dies. Todd Howard wäre nicht bei seiner 100. Veröffentlichung von Skyrim, wenn es nicht die Modding-Community gäbe. Die Fähigkeit, Videospiele zu modifizieren, verlängert nicht nur die Lebensdauer bestehender Titel, sondern bringt auch neue hervor. Dank der Investitionen und des Vertrauens der wohlhabenden Verlage haben sich ganze Studios rund um Modder-Gruppen gebildet.
Im Fall von Spider-Man: Remastered hat es ein Modder auf sich genommen, sämtliche Pride-Flaggen, die in der konzeptualisierten Comic-Vision von New York City zu finden sind, durch US-amerikanische Flaggen zu ersetzen. Dies verursachte in der Community einen gewaltigen Aufruhr und führte zu Kontroversen, die von woken Kommentaren auf Reddit und einer Seite namens ResetEra angetrieben und von der Fachpresse für Videospiele weiter aufgebläht wurden.
Webportale, auf denen sich Mods präsentieren und innerhalb der Community austauschen können, reagierten sehr schnell auf diese Kontroversen, indem sie den Verursacher des Flaggen-Mods und jeden, der seine Existenz unterstützte, verbannten. Erwähnenswert ist, dass dieselben Webportale kein Problem damit haben, eine Fülle von pornografischen Kreationen zu führen, in denen weibliche Charaktere nackt ausgezogen werden und sexuelle Handlungen ausführen müssen. Digitale Charakteren zu Sex zu zwingen ist anscheinend akzeptabel, aber Gott bewahre, dass jemand digitale Pride-Flaggen ersetzt.
Es ist eine Art Moment wie im Film "Sie leben" aus dem Jahr 1988, bei dem das Aufsetzen einer Sonnenbrille dem Träger das zeigt, wie die Realität aussieht. Es ist nicht übertrieben anzudeuten, dass die USA jetzt durch die Pride-Flagge repräsentiert werden und diese repräsentativ für amerikanische Werte geworden ist.
Um die Kontroverse über diesen Flaggen-Mod zu verschärfen, gingen zahlreiche Transgender- und Pride-Aktivisten auf Webseiten wie Nexus Mods, um als Vergeltung Mods hochzuladen, die zusätzlich progressive Flaggen enthielten und in denen effektiv jede Instanz oder Form der US-amerikanischen Flagge durch verschiedene Pride-Flaggen ersetzt wurden. Diese Mods sind immer noch zum Download verfügbar, wobei mehrere Spieler auf diese Doppelmoral hingewiesen haben.
"Wir sind für Inklusivität, wir sind für Vielfalt", schrieb der Direktor von Nexus Mods, das Modding-Inhalte für Spider-Man und andere Videospiele anbietet. "Wenn wir glauben, dass jemand einen Mod auf unsere Seite hochgeladen hat, mit der Absicht, bewusst gegen Inklusivität oder Vielfalt zu sein, werden wir dagegen vorgehen. Dasselbe gilt für Leute, die versuchen, andere Benutzer mit Mods bewusst zu trollen, um eine Kontroverse anzuheizen."
Er hob die Tatsache hervor, dass der ursprüngliche Modder wahrscheinlich ein Wegwerfkonto erstellt hatte, um seinen Mod hochzuladen, und wertete dies als ein klares Indiz dafür, dass es sich bei ihm um einen "Feigling" und einen "Troll" handeln musste. Obwohl er dies vielleicht nur deshalb tat, um zu versuchen, der Vergeltung zu entgehen, von der er vermutete, dass sie kommen würde.
Mit anderen Worten, das Ersetzen einer Pride-Flagge durch eine US-amerikanische ist "trollen". Aber das Ersetzen einer US-amerikanischen Flagge durch eine Pride-Flagge ist … was? Soziale Gerechtigkeit?
Anstatt die kreative Freiheit des Modders zu verteidigen, der diese geringfügige Änderung an Spider-Man vorgenommen hatte, haben die Anbieter dieser Mods ihn verunglimpft und seine Integrität angegriffen. Nur, weil jemand die Kühnheit hatte, ein wokes Narrativ in Frage zu stellen. Sie mögen es nicht, wenn überall Pride-Flaggen gehisst werden? Dann müssen Sie ein Fanatiker und Troll sein.
Falls und wenn die Regierung Biden, die sich bereits offen für die progressive Sache einsetzt, gegen alle als Hassreden wahrgenommenen Äußerungen vorgeht, werden diejenigen, die Videospiele einst gegen Zensur verteidigt haben, nicht nur die Ersten sein, die sich dieser Linie beugen werden. Sie werden auch diejenigen sein, die diese Attacke anführen.
So viel zur Meinungsfreiheit.
Übersetzt aus dem Englischen.
Ian Miles Cheong ist ein Politik- und Kulturkommentator. Seine Arbeiten wurden in The Rebel, Penthouse, Human Events und The Post Millennial veröffentlicht. Man kann Ian auf Twitter unter @stillgray und auf Telegram @CultureWarRoom folgen.
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