Nahost

Nasrallah: "Die USA werden mit ihren Soldaten für einen Krieg in dieser Region zahlen"

Die heutige Rede von Hassan Nasrallah, die Tage zuvor mit ominösen Videos angekündigt worden war, war ein politisches Meisterstück. Es gelang ihm, gleichzeitig die eigene Seite zur Geduld aufzufordern und deutlich zu machen, dass nur eine Beendigung des Leids in Gaza einen Flächenbrand verhindert.
Nasrallah: "Die USA werden mit ihren Soldaten für einen Krieg in dieser Region zahlen"Quelle: www.globallookpress.com © Marwan Naamani

Von Dagmar Henn

Die weltweit erwartete Rede des Hisbollah-Generalsekretärs Hassan Nasrallah war mit Sicherheit nicht das, was westliche Zuhörer erwartet hätten: analytisch, nicht emotional, obwohl er immer wieder die Opfer hervorhob, die der libanesische und der palästinensische Widerstand gebracht hätten, und den Blick nicht auf die lokalen, sondern die globalen Zusammenhänge gerichtet.

Letztlich gelang es ihm, eine vorläufige Fortsetzung der Kampfhandlungen an der libanesischen Südgrenze auf dem bisherigen Niveau so zu begründen, dass es nicht als ein Zurückweichen gedeutet werden konnte; eine Frage, die für die Stellung der Hisbollah im Libanon wie in der arabischen Welt zentral ist und die den Entscheidungsspielraum einzuschränken drohte.

Er betonte, die Entscheidung für die Operation Al-Aksa-Flut sei durch die palästinensische Seite allein gefallen, auch ohne Einbeziehung anderer Organisationen des palästinensischen Widerstands in Gaza selbst. Und er unterstrich, dies sei keine Ausnahme, sondern die Regel; innerhalb der Achse des Widerstands würden die Entscheidungen immer durch die örtliche Führung getroffen.

"Der palästinensische Widerstand hatte keine andere Wahl, und es war eine richtige, weise, mutige, zeitgemäße Entscheidung, die die Opfer wert ist."

Die Aktion der Hamas sei schon allein dadurch ein Erfolg gewesen, dass sie die Frage der Palästinenser wieder auf den Tisch gelegt habe, die bereits von allen internationalen Organisationen vergessen worden sei. Außerdem habe sie eine tiefe Unsicherheit innerhalb der israelischen Führung entblößt. Er bestritt, dass dabei zivile Opfer beabsichtigt gewesen seien, und machte panische Handlungen des israelischen Militärs dafür verantwortlich, was gründliche Untersuchungen mit Sicherheit enthüllen würden.

"Die Welt wird entdecken, dass die meisten jener Zivilisten, die von den Palästinensern getötet worden sein sollen, durch die Waffen der israelischen Armee getötet wurden, die in Zorn und Wahn handelte."

Die israelische Führung werde nicht imstande sein, ihre militärischen Ziele zu erreichen, weil sie an der Vernichtung der Hamas ebenso scheitern werde, wie sie an der Vernichtung der Hisbollah gescheitert sei. Diese war das Ziel des israelischen Angriffs im Jahr 2006 gewesen, der nach 33 Tagen mit einer Niederlage geendet hatte. Die Regierung in Tel Aviv sei offenkundig unfähig, aus vergangenen Erfahrungen zu lernen, denn wenn sie die Gefangenen der Hamas befreien wolle, ginge das wie in allen anderen Fällen nur über Verhandlungen. Grund für das Vorgehen der Hamas seien die Tausende Gefangenen in israelischen Gefängnissen, darunter vielfach Frauen und Kinder.

Die Hisbollah sei, obwohl auch sie am 7. Oktober überrascht wurde, bereits seit dem 8. Oktober dabei, den palästinensischen Widerstand zu unterstützen:

"Die libanesische Front schaffte es, ein Drittel der israelischen Armee zu binden, einen bedeutenden Teil der Elitetruppen und der regulären Kräfte eingeschlossen. (…) Die Hälfte der israelischen Marine und ein Viertel der Luftwaffe sind auf den Libanon gerichtet. Die Hälfte der zionistischen Luftverteidigungskräfte und ein Drittel der logistischen Kräfte sind auf den Libanon gerichtet."

Die Evakuierung von Siedlungen im Norden Israels trage ebenfalls zur Verunsicherung innerhalb Israels bei.

"Einen Zustand von Beunruhigung und Unsicherheit in der Führung des Feindes zu schaffen, dient zwei Zielen. Erstens, es macht den Feind vorsichtig, was Handlungen in Richtung Libanon angeht. Zweitens, es zwingt den Feind, seine Berechnungen bezüglich der Schlacht in Gaza zu überdenken."

Diese beiden Fragen seien auch für das künftige Handeln der Hisbollah entscheidend. Es gehe aber nicht allein um Israel, sondern um die Vereinigten Staaten.

"Wir müssen wissen, dass die USA zur Gänze für den Krieg gegen Gaza verantwortlich sind und Israel nur das ausführende Werkzeug ist. Es sind die USA, die eine Waffenruhe in Gaza und die internationale Verurteilung des Feindes verhindern."

Die Menschen in Gaza zu verteidigen sei ein Gebot der Humanität, und sie müssten mit allen Mitteln unterstützt werden.

"Diejenigen, die zu den zionistischen Verbrechen schweigen, sollten noch einmal ihre Menschlichkeit, ihren Glauben und ihre Ehre überdenken."

Die USA könnten die Aggression in Gaza beenden, weil es ihre Aggression sei.

"Jeder, der einen regionalen Krieg verhindern will, sollte sich beeilen, die Aggression gegen Gaza zu beenden."

Der Sieg von Gaza sei im nationalen Interesse Ägyptens, Jordaniens, Syriens und des Libanon. Er forderte die arabischen Nachbarländer Israels auf, nicht nur Botschafter abzuziehen, sondern auch Handelsbeziehungen zu beenden.

"Erklärungen und Verurteilungen sind nicht genug, wenn gleichzeitig Öl und Nahrung nach Israel geschickt werden."

Die Tatsache, dass seitens der USA eine derartige Flotte im Mittelmeer versammelt worden sei, sei ein Zeichen israelischer Schwäche, ebenso wie die sofortigen Waffenlieferungen von dort. Man sei auf diese Flotte vorbereitet.

"Die USA werden mit ihren Soldaten, Flotten und Stützpunkten diejenigen sein, die für jeden Krieg in dieser Region den Preis zahlen."

Immer wieder betonte er, Zähigkeit, Ausdauer, Geduld und Leidensfähigkeit seien die für einen Sieg entscheidenden Eigenschaften. Das augenblickliche Hauptziel sei es, die Aggression in Gaza zu beenden.

Die Bedingungen dieser Rede waren nicht einfach; die Bilder, die aus Gaza die ganze Welt mit Ausnahme des Westens erreichen, sind schlicht zu erschütternd, und es gab bisher noch keinen Konflikt, in dem die Berichterstatter, die Journalisten vor Ort, in diesem Ausmaß selbst betroffen oder gar zu Opfern wurden.

Um die Möglichkeit zu wahren, einen großen regionalen Konflikt zu verhindern, durfte Nasrallah weder Schwäche zeigen noch den vorhandenen Zorn anspornen; das gelang ihm, indem er auf der einen Seite die Notwendigkeit von Ausdauer und Geduld und auf der anderen Seite die Frage der Menschlichkeit in den Mittelpunkt seiner Rede stellte.

Er stellte jedoch mit der Formulierung "alle Optionen sind auf Tisch" auch klar, dass die Hisbollah auf alle Varianten vorbereitet ist, falls die israelische Seite den Libanon angreifen oder sich die Lage in Gaza weiter verschlechtern sollte.

Es ist eine umsichtige und kluge Entscheidung, die den deutlich als verantwortlich benannten Vereinigten Staaten noch einmal die Gelegenheit gibt, die Regierung Netanjahu an die Leine zu legen, aber ein Innehalten, das sich jetzt bereits nur durch Nasrallahs politisches Geschick, aber selbst dadurch nur noch begrenzte Zeit halten lässt.

Ob die Verantwortlichen in Washington begreifen und ernst nehmen, was sich mit den Erklärungen aus dem irakischen Widerstand wie seitens der Huthi-Rebellen im Jemen andeutet, auf die Nasrallah Bezug nahm, dass nämlich die weltweit verstreuten US-Militärbasen zum Ziel vielfacher unabhängiger Angriffe werden könnten, lässt sich schwer abschätzen. Aber man kann auf jeden Fall sagen, dass Nasrallah mit dieser heutigen Rede mehr strategisches Können und politische Führungsfähigkeit gezeigt hat, als sie derzeit im kollektiven Westen zu finden sind.

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