Afrika

Afrikas Trotz wächst – Sudan und Russland nähern sich an

Die sich vertiefende Partnerschaft afrikanischer Staaten mit Russland setzt sich stetig fort. Der Trend wird durch die neokolonialen Versuche des Westens, dies zu vereiteln, verstärkt. Nun sollen ausgerechnet am Roten Meer die Machtverhältnisse neu geordnet werden.
Afrikas Trotz wächst – Sudan und Russland nähern sich anQuelle: Sputnik © Валерий Шарифулин/РИА Новости/POOL

Von Elem Chintsky

Sudan gehört als afrikanisches Land zu der berüchtigten US-Abschussliste, die der ehemalige US-amerikanische NATO-General Wesley Kanne Clark im März 2007 öffentlich vorstellte. Das Geheimdienst-Dokument, das ihm eine Woche nach den Terroranschlägen auf das New Yorker World Trade Center vom September 2001 im Pentagon von einem ehemaligen Untergebenen präsentiert wurde, umriss er so:

"In diesem Bericht wird beschrieben, wie wir innerhalb von fünf Jahren sieben Länder ausschalten werden, angefangen mit dem Irak, dann Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und zum Schluss Iran."

Clark, der im Jahr 1999 als NATO-Oberbefehlshaber bei der Auflösung Jugoslawiens und des völkerrechtswidrigen Luft-Bombardements Serbiens einer der Hauptverantwortlichen war, zeichnete mit diesen Aussagen die langfristige, parteiübergreifende Strategie der US-Führung für den Nahen Osten und Afrika nach, die auch an den gerade erst von Israel begangenen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen anknüpft und der gegenwärtigen Konfrontation zwischen Iran und Israel essenzielle Bedeutung verleiht. Denn selbst der Israel-kritische Politologe Norman Finkelstein wies die kontroverse These einst vehement von sich, welche John J. Mearsheimer und sein Co-Autor Stephen M. Walt in ihrem Buch "The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy" (2006, deutscher Titel: Die Israel-Lobby und die US-Außenpolitik) ausführen: Nämlich dass der Dritte Golfkrieg von der israelischen Lobby in den USA gefordert wurde, um in allererster Linie Israels langfristige geopolitische Interessen in der Region zu befriedigen. Die offizielle Position politischer Dissidenten lautete sonst stets, dass die US-Invasion im Irak vom Präsidenten George W. Bush, seinem Vize-Präsidenten Dick Cheney und seinem stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz einzig wegen des Erdöls und der Erhaltung der US-Energiedominanz gewollt war. Der damalige "Neokonservatismus" war sehr bemüht, letzteres hervorzuheben, während ersteres unter Androhung des Antisemitismus-Vorwurfes verschwiegen wurde. Für die allgemeine Öffentlichkeit gab es die dritte, bekannteste Variante: Der Erste (sowie der Zweite und Dritte) Golfkrieg wurde begonnen, um Demokratie und Freiheit zügig in den Nahen Osten zu exportieren.

Heute – noch viel mehr als schon damals – ist klar, dass alle US-geführten Konflikte und Kriege im Nahen Osten und in Nordafrika in erster Linie initiiert und aufrechterhalten werden, um die geopolitischen Wünsche des israelischen Staates zu befriedigen. Erst an zweiter Stelle steht die Absicht, alle Energieressourcen dieses Erdteils zu kontrollieren – sie sind aber durchaus mit dem primären Ziel verwandt. Der Gazastreifen ist in diesem Sinne eine gute Illustration dieses beidseitigen Ansatzes: Einerseits geht es um eine systematische Entvölkerung und die geografische Assimilierung des Landstücks durch Israel und die Vereitelung eines palästinensischen Staates; andererseits geht es um die Ausschlachtung der Erdölfelder an der Küste des Gazastreifens. Deshalb sind jegliche Einflüsse aus Eurasien auf die Region den USA ein gewaltiger Dorn im Auge. Die Vermutung liegt nahe, dass mit einer hypothetischen zweiten US-Präsidentschaft Donald J. Trumps der zuvor erwähnte, von der Israel-Lobby gelenkte "Neokonservatismus" von Wolfowitz und Konsorten sich sehr gewaltsam – viel stärker noch, als das, was gegenwärtig geschieht – im Nahen Osten entladen wird.

Sudan – eine von "Gottes Spielwiesen" in Afrika

Der von Clark genannte, von jahrzehntelangen Bürgerkriegen und Militärcoups geplagte Sudan rückte kürzlich prominent in den Fokus. Bloomberg berichtete, wie der stellvertretende Vorsitzende des Souveränen Übergangsrates des Sudan, Malik Agar, nach Moskau gereist ist, um mit Wladimir Putin zu verhandeln. Bei dem Treffen ging es um den bilateralen Bau eines Militärhafens an der sudanesischen Küste am Roten Meer. Dieses Projekt eines logistischen Hubs mit russischer Präsenz sei ermöglicht worden, weil die derzeitige, vom Militär unterstützte Regierung des Sudan Waffenlieferungen aus Russland zugesprochen bekam.

Auch der Bergbau- und Finanzminister sowie der Chefdiplomat des Sudan sollen sich auf diese Reise begeben haben. Daran ist auch eine Teilnahme am Sankt Petersburger Wirtschaftsforum geknüpft – grob betrachtet handelt es sich um ein eurasisches, BRICS-nahes Pendant zum westlichen World Economic Forum (WEF).

Zwischen den teils zivilen, teils militärischen Regierungen und den militärischen Fraktionen des an Erdöl reichen Sudan gibt es seit über einem halben Jahrhundert blutige Auseinandersetzungen, die die gemeine Bevölkerung dort ertragen muss. Kuratiert wurde dieser Zustand der "permanenten Revolution" jedoch nicht vom Kreml, sondern vom US-dominierten Internationalen Währungsfonds (IWF) und westlichen Erdöl-Giganten wie Shell und Chevron. Der IWF kurbelte am Regler der Kreditwürdigkeit des Sudans, wie ein römischer Imperator im berüchtigten Kolosseum seinen Daumen hob oder senkte. Das sudanesische Volk war Generationen lang der Willkür des IWF und seiner Reformen "zu mehr Austerität" ausgesetzt, während dieser die "Liberalisierung" der sudanesischen Volkswirtschaft betrieb – eine Semantik, die bisher half, diese faktische Versklavung eines afrikanischen Landes mithilfe westlicher Wirtschaftsmaximen umzudeuten und zu kaschieren. Kurz, der Markt des Sudans wurde mit fremden Güterexporten, die das Land selbst hätte produzieren sollen, geflutet, wobei der IWF gleichzeitig die Ausbeutung der Bodenschätze und Energieträger ohne die souveräne Regulierung durch den Sudan durch westliche Konglomerate vorantrieb und das Land zugleich mit Krediten in Geiselhaft nahm. Seit den 1970ern bis ins Jahr 2023 ging der Sudan durch elf umfassende IWF-Kreditprogramme, denen kurze Zeit später große soziale Unruhen folgten.

Gemessen an der sozialpolitischen Stabilität hat der Sudan als Land in den vergangenen fünf Jahren buchstäblich auf Messers Schneide existiert. Zwar ist wieder ausreichend Ruhe dafür eingekehrt, um eine große sicherheitspolitische Wende Richtung Eurasien vorzunehmen; aber die Nation ist weiterhin anfällig für destabilisierenden internationalen Einfluss.

Das United States African Command (AFRICOM), das als Nachfolgeorganisation der europäischen Kolonialkräfte in Afrika offiziell im Jahr 2007 gegründet wurde und – wenn überhaupt – in der breiten Öffentlichkeit für seine völkerrechtswidrigen Aktivitäten in Niger bekannt ist, beobachtet, zusammen mit den Franzosen in Paris, die Aufnahme der sicherheitspolitischen Beziehungen des Sudan zu Moskau mit äußerster Aufmerksamkeit und Sorge. Früher war der Sudan die Plattform für ein klassisches Teile-und-Herrsche des US- und NATO-Establishments in Afrika, wie auch der libanesisch-amerikanische Politologe Asad AbuKhalil detailreich untersuchte. Der Professor nannte außerdem ein wichtiges Prinzip für die Region: "Im Nahen Osten haben wir oft gesagt, wenn die USA ihr Personal evakuieren, ist das in der Regel ein Zeichen für ein finsteres Komplott Washingtons gegen dieses Land. Die USA haben gerade ihr Personal evakuiert."

Das war vor einem Jahr. Seitdem ist zumindest etwas mehr Ruhe eingekehrt.

Der Einfluss des Westens in Afrika beginnt zu schwinden und die einstige wirtschaftliche sowie politisch-militärische Hebelkraft ist aufgrund von Chinas und Russlands Unterstützung auf dem Kontinent geschwächt. Auch neuere BRICS-Mitglieder leisten einen Beitrag: Iran unterstützt die vom Militär unterstützte Regierung unter dem Souveränen Übergangsrat des Sudan mit neuen Waffensystemen.

Zudem besuchten der Verteidigungsminister des Sudan, Yassin Ibrahim, sowie der stellvertretende Oberbefehlshaber der sudanesischen Streitkräfte, Shams al-Din Kabbashi, jüngst ihre Kollegen in Mali und Niger. Die beiden afrikanischen Staaten hatten sich vor Kurzem durch Regimewechsel vom Westen – besonders von Macron und den Franzosen – losgelöst und bilaterale Sicherheitsbeziehungen zu Moskau aufgenommen.

Eine vertiefte militärische Zusammenarbeit Khartums und Moskaus stellt im Rückblick auf die US-kuratierte unipolare Weltordnung seit 1991 einen deutlichen Paradigmenwechsel dar. Trotz aller allergischer Reaktionen der alten US-amerikanisch-angelsächsichen Ordnung in Washington, D.C., London und Brüssel, welche immer mehr in die Eskalation nach vorne flüchten, ist die sudanesisch-russische Partnerschaft ein Symptom von vielen für die eurasisch geführte, auf mehr transnationale Gleichberechtigung setzende Multipolarität.

Russlands Einfluss auf die derzeit besonders sensible Welthandelsroute durch den Suezkanal und das Rote Meer wird durch die geplante Partnerschaft mit Sudan signifikant erhöht. Auch wird Russland auf den US-Konflikt mit den Huthi sowie auf den Nahen Osten insgesamt – insbesondere den von Israel begangenen Völkermord im Gazastreifen – potenziell mehr Einfluss nehmen können.

Ausgerechnet jetzt sind die USA mehr als je zuvor auf absolute Kontrolle in der Region angewiesen – für ihre kompromisslose und absolute Unterstützung Israels und seiner Pläne für die Liquidierung der Palästinenser und der illegalen, gewaltsamen Eroberung von deren Land. Aber genau jetzt entgleitet dieser früher als selbstverständlich erachtete Einfluss der US-Führung.

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

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